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Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit

Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit

Titel: Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit
Autoren: Stephen Baxter
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Michael.
    »Es geht nichts verloren, mußt du wissen. Es ist alles gespeichert – und nicht nur auf Chips, sondern auch in neuronalen Netzen, die man abfragen – oder mit denen man eine Projektion generieren kann, wenn man das will.« Harry lächelte. »Man kann sich mit seinem jüngeren Ich unterhalten. Das scheint mir auch wirklich die ideale Beschäftigung für dich zu sein.«
    »Schau«, meinte Michael und preßte die Finger auf die Nasenwurzel. »Ich habe mir das alles schon durch den Kopf gehen lassen. Ich habe es früher sogar schon einmal mit dir diskutiert. Oder hast du das auch vergessen?«
    »Es gibt im Grunde keine Alternative, weißt du.«
    »Natürlich gibt es eine.«
    »Nicht, wenn du ein Mensch bleiben willst, wie du es für dich in Anspruch nimmst. Zum Menschsein gehört auch, neue gedankliche Wege einschlagen zu können – sich auf fremde Menschen einzustellen und mit neuen Ereignissen und Situationen klarzukommen. Michael, Tatsache ist, daß das menschliche Gedächtnis nur über eine begrenzte Kapazität verfügt. Je mehr du es vollstopfst, desto länger werden die Zugriffszeiten. Mit der AS-Technologie jedoch…«
    »Du wirst auch nicht wieder zu einer Jungfrau, indem du dir ein Jungfernhäutchen implantieren läßt, um Gottes willen.«
    »Da hast du recht.« Harry streckte eine Hand nach seinem Sohn aus hielt dann inne und ließ sie wieder sinken. »Drastisch wie immer, aber korrekt. Und ich sage auch gar nicht, daß du durch die Reorganisation deiner Erinnerungen wieder deine Unschuld erlangst. Deine gespannte Erwartung, als du zum erstenmal Beethoven gehört hast. Das Wunder deines ersten Kusses. Und ich weiß, daß du Angst hast, die Erinnerungen zu verlieren, die du noch an Miriam hast.«
    »Deine Mutmaßungen gehen ganz schön weit, verdammt.«
    »Aber, Michael – du hast gar keine andere Wahl. Es sei denn, du würdest lieber zum Fossil werden.« Harry lächelte reumütig. »Tut mir leid, mein Sohn. Ich wollte dir nicht vorschreiben, wie du dein Leben zu gestalten hast.«
    »Nein. Das wolltest du nie, richtig? Es war immer nur so eine Angewohnheit…« Michael ging zu einem Ausgabeschacht und tastete sich mit schnellen Bewegungen noch einen Whisky. »Sag mir jetzt, was so wichtig war, daß du dich als virtuelle Projektion hast abstrahlen lassen.«
    Harry wandelte elegisch über den klaren Boden; seine lautlosen Schritte, die über dem endlosen Raum hingen, wirkten wuchtig in der Schwerelosigkeit und vermittelten der Szenerie eine unwirkliche Qualität. »Das Interface«, meinte er dann.
    Michael runzelte die Stirn. »Das Projekt? Was ist damit?«
    Harry betrachtete seinen Sohn mit aufrichtiger Zuneigung. »Ich glaube, daß du hier draußen nicht mehr so auf dem laufenden bist. Michael, seit dem Start der Cauchy ist bereits ein Jahrhundert vergangen. Erinnerst du dich nicht mehr an den Einsatzplan?«
    Michael überlegte. Ein Jahrhundert…
    »Mein Gott«, sagte er dann. »Es ist soweit, stimmt’s?«
    Die Cauchy hätte bereits wieder zur Sonne zurückgekehrt sein sollen, in dieser entfernten Zukunft. Michael blickte unwillkürlich auf die Kabinenwand, dorthin, wo Jupiter stand. Das zweite Portal des Wurmlochs umkreiste noch immer stetig den Planeten; war es möglich, daß – sogar jetzt noch – eine Brücke anderthalb Jahrtausende überspannte?
    »Sie haben mich geschickt, um dich zu holen«, erklärte Harry zerknirscht. »Ich habe ihnen zwar gesagt, daß es reine Zeitverschwendung wäre und daß wir uns deswegen schon in den Haaren gelegen hätten, seitdem du sprechen konntest. Aber sie haben mich trotzdem hergeschickt. Ich hätte wohl die besten Chancen, dich zu überreden.«
    Michael war verwirrt. »Überreden wozu?«
    »Heimzukommen.« Die Projektion sah sich in der Kabine um. »Diese alte Schüssel kann doch noch fliegen, oder?«
    »Natürlich kann sie.«
    »Dann würde der schnellste Weg für deine Rückkehr darin bestehen, daß du freiwillig dieses Gerät benutzt. Du wirst ungefähr ein Jahr brauchen. Es würde doppelt so lange dauern, ein Schiff herzuschicken und dich abzuholen…«
    »Harry. Mach langsam, verdammt. Wer sind ›sie‹? Und warum bin ich auf einmal so wichtig?«
    »›Sie‹ sind die Regierung von Jupiter. Und sie haben die Unterstützung aller intersolaren Behörden. Des ganzen Sonnensystems, soweit ich weiß. Und du bist wichtig, wegen der Nachricht.«
    »Welche Nachricht?«
    Mit dem unangemessen jungen Gesicht und fester Stimme musterte Harry seinen Sohn.
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