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Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit

Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit

Titel: Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit
Autoren: Stephen Baxter
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nachdem er entrümpelt wurde? Ist überhaupt noch etwas drin?«
    Harry hob die Schultern. »Was ich halt so brauche. Hauptsächlich Wissen über dich, wenn es dich interessiert. Wie ein Notizbuch…«
    Er nahm einen Schluck von seinem Drink, der im Licht des Kometen glühte, und prostete seinem Sohn zu.

    Wurmlöcher sind Verwerfungen im Raum-Zeit-Kontinuum, die zwischen Punkten, die Lichtjahre – oder Hunderte von Lichtjahren – voneinander entfernt sind, die Raumkrümmung aufheben und Raumfahrt fast in Nullzeit ermöglichen. Sie sind nützlich… aber schwer zu errichten.
    Im subatomaren Spektrum – auf der Planck’schen Längenskala, wo sich die mysteriösen Effekte der Quantengravitation abspielen – verhält sich die Raumzeit wie Schaum, der von winzigen Wurmlöchern durchzogen ist. Vor einem Jahrhundert hatten Michael Poole und sein Team ein solches Wurmloch isoliert, seine Enden manipuliert und es in jede gewünschte Größe und Form gebracht.
    Groß genug, um ein Raumschiff aufzunehmen.
    Das war die einfache Übung gewesen. Nun mußten sie es stabilisieren.
    Ein Wurmloch ohne Materie in seinem Schlund – eine Schwarzschild-Auflösung einer Relativitätsgleichung – ist unbrauchbar. Tödliche Gezeitenkräfte würden die Mündungen des Wurmloches blockieren, die Ein- und Ausgänge selbst würden sich ausdehnen und mit Lichtgeschwindigkeit kollabieren, und kleine Störungen, verursacht durch eindringende Materie, würden zur Instabilität und dem Kollaps des Systems führen.
    Also mußte Pooles Team ›exotische‹ Materie durch sein Wurmloch schleusen.
    Der Raum verengte sich zum Zentrum des Schlundes und mußte dann wieder gedehnt werden. Aufgrund der negativen Energiedichte der exotischen Materie war es zu Abstoßungseffekten gekommen. Trotz aller Bemühungen war das Wurmloch immer noch intrinsisch instabil; aber mit Rückkoppelungsschleifen konnte man eine Selbstregulierung erreichen.
    Früher hatte man negative Energie für unmöglich gehalten. Ebenso wie negative Masse schien auch dieses Theorem intuitiv schon nicht plausibel. Doch dann waren Michael und seine Mannschaft auf eine erfolgversprechende Spur gestoßen. Die Hawking’sche Verdampfung eines Schwarzen Lochs war beispielsweise ein ›schwach exotischer‹ Vorgang… Aber die negativen Energieniveaus, die Poole brauchte, waren hoch und entsprachen in etwa dem Druck im Zentrum eines Neutronensterns.
    Es war eine Zeit der Herausforderung gewesen.
    Trotz seiner aktuellen Sorgen merkte Michael, wie Erinnerungen an jene Tage von seinen Gedanken Besitz ergriffen, gegenwärtiger als das Bild der leeren Lebenskuppel und der unvollkommenen Abbildung seines Vaters. Wie konnten einen alte Erinnerungen derart in ihren Bann ziehen? Michael und sein Team – einschließlich Miriam, seiner Stellvertreterin – hatten über vierzig Jahre in einer langsamen Umlaufbahn um den Jupiter verbracht; der Fortschritt bei der Gewinnung exotischer Materie hatte von der Flußdichte in dem magnetischen Hohlleiter abgehängt, der Jupiter mit seinem Mond Io verband. Das Leben war zwar hart und gefährlich gewesen – aber nie langweilig. Als die Jahre vergingen, hatten sie immer wieder die Sonden beobachtet, die in das Gravitationszentrum von Jupiter eintauchten und mit einer weiteren Ladung glänzender exotischer Materie zurückkamen, mit der dann die immer größer werdenden Pyramiden beschichtet werden konnten.
    Es war, als ob man ein Kind aufwachsen sah.
    Miriam und er hatten eine vollständige Abhängigkeit voneinander entwickelt, ganz ohne Frage. Manchmal hatten sie sich gegenseitig die Frage gestellt, ob diese Abhängigkeit den Keim der Liebe in sich tragen würde. Meistens jedoch waren sie zu beschäftigt gewesen.

    »Nicht wahr, Michael, das war damals deine glücklichste Zeit?« fragte Harry irritierend direkt.
    Michael unterdrückte eine scharfe, abwehrende Antwort. »Es war mein Lebenswerk.«
    »Ich weiß, daß es das war. Aber es war nicht das Ende deines Lebens.«
    Michael packte das Whiskyglas fester und spürte, wie es sich warm und glatt unter seinen Fingern verschob. »Es kam mir aber so vor, als die Cauchy schließlich mit einer der Interface-Komponenten im Schlepp aus dem Orbit um Jupiter ausscherte. Ich hatte den Nachweis erbracht, daß exotische Materie mehr als nur ein Hirngespinst war; daß sie sogar für industrielle Anwendungen im größten Maßstab eingesetzt werden konnte. Aber es war ein Experiment, auf dessen Ergebnis ein Jahrhundert gewartet
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