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Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit

Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit

Titel: Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit
Autoren: Stephen Baxter
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Privatsphäre eingedrungen. Sag mir einfach, was du von mir willst.«
    Anstatt direkt zu antworten, schaute Harry durch den transparenten Boden unter seinen Füßen. Der anderthalb Kilometer durchmessende und mit alten Eisstalagmiten besetzte Kern eines Kometen glitt durch die Dunkelheit; Spotlight-Laser der Hermit Crab zauberten purpurne und grüne Kohlenwasserstoffschatten. »Welch ein Anblick«, schwärmte Harry. »Wie ein blinder Fisch, stimmt’s? – Eine fremdartige, unbekannte Kreatur, die in den tiefsten Ozeanen des Sonnensystems schwimmt.«
    In all den Jahren, in denen er den Kometen beobachtet hatte, hatte dieses Bild nie eine Wirkung auf Michael gehabt; als er aber jetzt die Worte hörte, sah er, wie richtig sie waren. Trotzdem erwiderte er schwer: »Es ist nur ein Komet. Und dies ist die Oort-Wolke. Der Kometenschweif, ein drittel Lichtjahr von der Sonne; wo all die Kometen schließlich verglühen…«
    »Hübscher Ort«, kommentierte Harry ungerührt. Seine Augen überflogen die nackte Kuppel, und Michael glaubte die Stätte plötzlich durch die Augen seines Vaters zu sehen. Die Lebenskuppel des Schiffes, seit Jahrzehnten sein Zuhause, war eine hundert Meter durchmessende Halbkugel. Couches, Steuerkonsolen und Datenerfassungs- und Ausgabegeräte gruppierten sich um den Mittelpunkt der Kuppel; der Rest des transparenten Bodens war durch schulterhohe Paravents in Laborbereiche, eine Küche, einen Fitneßraum, eine Schlafzone und Dusche unterteilt.
    Plötzlich wirkte diese Aufteilung, Michaels wenige Einrichtungsgegenstände, das niedrige Einzelbett, bieder und funktional.
    Harry schritt über den durchsichtigen Boden zum Rand der Lebenskuppel. Michael, dessen Whisky sich in der Hand erwärmte, folgte ihm zögernd. Von hier aus konnte man die übrige Crab überblicken. Ein mit Antennen und Sensoren besetztes Rohr zog sich eine Meile durch den Weltraum zu einem Eisblock des Jupitermondes Europa, so daß das ganze Schiff wie ein eleganter Sonnenschirm aussah: mit der Lebenskuppel als Schirm und dem Eis des Mondes als Ständer. Der Eisblock – Hunderte von Metern breit, als er vom Jupitermond abgetrennt wurde – wies Dellen und Druckspuren auf, als ob er von riesigen Fingern geformt worden wäre. In diesem Block verbarg sich der GUT-Antrieb des Schiffes, wobei das Eis auf Michaels Reise hierher als Reaktionsmasse gedient hatte.
    Harry zog den Kopf ein und suchte die Sterne ab. »Kann man von hier aus die Erde sehen?«
    Michael zuckte die Achseln. »Von dieser Position aus erscheint das innere Sonnensystem nur als verschwommener Lichtfleck. Wie ein weit entfernter Teich. Du brauchst Ortungsgeräte, um die Erde zu sehen.«
    »Du bist weit von zu Hause entfernt.«
    Harry hatte das Haar mittels der AS-Technologie in eine dicke blonde Mähne verwandeln lassen; die Augen waren kristallblaue Sterne, das Gesicht eckig und klein proportioniert – fast koboldhaft. Michael musterte ihn neugierig und staunte erneut, daß sein Vater sich auf so jugendlich hatte trimmen lassen. Michael selbst war bei den sechzig Jahren geblieben, die sein Körper schon auf dem Buckel hatte, als die AS-Technologie aufkam. Jetzt fuhr er sich unwillkürlich mit der Hand über die hohe Stirn und die rauhe, faltige Haut seiner Wangen. Verdammt, Harry hatte nicht einmal seine Naturfarben beibehalten – das schwarze Haar und die braunen Augen – die er Michael vererbt hatte.
    Harry schaute auf Michaels Drink. »Schöner Gastgeber«, registrierte er, ohne indessen kritisch zu klingen. »Warum bietest du mir nichts an? Ich meine das ernst. Man kann jetzt auch virtuelle Bewirtungschips kaufen. Bars und Küchen. Nur vom Feinsten für die virtuellen Gäste.«
    Michael lachte. »Was soll das? Nichts davon ist doch real.«
    Für eine Sekunde verengten sich die Augen seines Vaters. »Real? Bist du sicher, daß du weißt, was ich genau in diesem Moment fühle?«
    »Es ist mir so und so verdammt egal«, erwiderte Michael ruhig.
    »Nein«, widersprach Harry. »Ich glaube nicht, daß es dir wirklich egal ist. Zum Glück bin ich nicht unvorbereitet gekommen.« Er schnippte mit den Fingern, und eine große Brandyflasche materialisierte funkelnd auf seiner offenen Handfläche. Michael konnte das Aroma fast riechen. »Irgendwie so, als ob man einen Flachmann dabei hätte. Jedenfalls kann ich dir sagen, Michael, daß es kein Vergnügen ist. Was machst du überhaupt an diesem gottverlassenen Ort?«
    Die plötzliche Frage ließ Michael zusammenzucken. »Ich
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