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Wuestenfeuer in Seinem Blick

Wuestenfeuer in Seinem Blick

Titel: Wuestenfeuer in Seinem Blick
Autoren: Tessa Radley
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große Grundstück gehörten ihr. Ihr Vater hatte gewusst, wie gut es ihr hier gefiel. Sie trat vom Fenster weg und ging zu dem großen Tisch, wo die Familie so oft gegessen und an regnerischen Tagen Brettspiele gespielt hatte. In der Mitte lagen die Liste und der Brief ihres Vaters.
    Die Liste Mein eigenes Leben brauchte sie nun nicht mehr. Denn jetzt hatte sie ein eigenes Leben, einen Job, ihre Familie und bald ein Baby. Trotzdem brachte sie es nicht über sich, die Liste wegzuwerfen. Sie goss das restliche Mineralwasser in ihr Glas. Mithilfe dieser Liste hatte sie neu überdacht, was sie vom Leben erwartete.
    Sie war erwachsener geworden, hatte neue Erfahrungen gemacht und zu einem tieferen Verständnis für sich selbst gefunden. Nichts davon würde sie je bereuen.
    Sie trank einen Schluck Wasser und griff nach der Liste. Zum letzten Mal las sie sie durch. Nur Punkt zehn war noch offen: Dads Mörder finden.
    Und Punkt vier. Aber der Wunsch, Eiscreme im Bett zu essen, erschien ihr mit einem Mal kindisch.
    Ihr Blick fiel auf die leere Wasserflasche. Sie faltete die Liste klein zusammen und stopfte sie hinein.
    Dann nahm sie den Brief ihres Vaters, der vom vielen Lesen schon so sehr zerknittert war.
    Meine liebe Laurel,
    wenn Du das liest, bin ich nicht mehr bei euch.
    Aber Captain’s Watch soll für immer Dir gehören. Jedes Mal, wenn wir dorthin gefahren sind, warst Du schon Tage vorher aufgeregt und hast alle damit angesteckt. Deiner Mom hast Du einmal gesagt, was Du daran so faszinierend findest: Denn obwohl das Haus unverändert bleibt, gleicht kein Tag dort dem anderen. Captain’s Watch bietet Abenteuer für einen ganzen Sommer.
    Im Haus hängt ein Foto, auf dem man Dich bei einem solchen Abenteuer sieht. Du kniest vor einer Sandburg mit Muscheln. Ich weiß es noch genau. Die anderen Kinder spielten längst etwas anderes, aber Du mit Deiner Ausdauer hast an der Burg weitergebaut. Bis ich Dich abends abgeholt habe.
    Die Sandburg war fertig, und Du hast sie so stolz und zufrieden betrachtet, dass ich wusste, Dein Aufwand hat sich gelohnt.
    Am nächsten Morgen bist Du gleich nach dem Aufwachen hingelaufen, aber die Flut hatte Dein Werk weggespült. Geweint hast Du nie. Du hast von vorn angefangen, und zwar an einer Stelle, wo die Flut nicht hinkam.
    Ich vermache Dir Captain’s Watch in der Hoffnung, dass Du dort noch viele Abenteuer erlebst. Ich weiß, dass Du mit Deinem freundlichen Herzen die Tür immer für alle Familienmitglieder offen halten wirst.
    Ich wünsche euch allen immer wieder schöne Ferien.
    In Liebe
    Dad
    Unter Tränen strich Laurel über die Unterschrift ihres Vaters.
    Wie vernichtend sie alle die Entdeckung empfunden hatten, dass er noch eine Familie gehabt hatte! Am allermeisten hatte ihre Mutter darunter gelitten.
    In dieser Hinsicht war Rakin anders. Eine andere Frau kam für ihn wohl kaum infrage – er liebte ja schon seine erste nicht!
    Trotzdem sollte er wissen, dass sie ein Kind von ihm erwartete.
    Zum ersten Mal empfand sie so etwas wie Mitgefühl mit Angela Sinclair. Sie hatte sich richtig verhalten. Laurel wusste, dass sie vor vielen Jahren versucht hatte, Reginald anzurufen, um ihm zu sagen, dass sie schwanger war und ihn nicht erreicht hatte.
    Immer noch liefen Laurel die Tränen übers Gesicht. In der einen Hand hielt sie den Brief, mit der anderen strich sie über ihren noch flachen Bauch. Rakin sollte die Chance bekommen, schon jetzt am Leben seines Kindes teilzuhaben.
    Sie stellte sich vor, wie schmerzhaft es für ihren Dad gewesen sein musste, ein Jahrzehnt später zu erfahren, dass er einen Sohn hatte. Einen Sohn, der sich zu einem verbitterten Mann entwickelt hatte, der seinen Vater gehasst und womöglich umgebracht hatte.
    Jack hatte ja nicht ahnen können, wie sehr Reginald ihn geliebt hatte – so sehr, dass er ihm fünfundvierzig Prozent der Anteile an der Kincaid Group vermacht hatte.
    Vielleicht hätte dieses Wissen Jacks Hass in Hoffnung verwandeln können …
    Vorsichtig faltete sie den Brief zusammen und steckte ihn wieder in ihre Handtasche. Dann griff sie nach ihrem Handy.
    Sie ordnete ihre Gedanken und überdachte, was sie Rakin sagen wollte. Als der Anrufbeantworter sich einschaltete, legte sie enttäuscht auf.
    Sie musste schon mit ihm selbst reden. In einer Stunde würde sie es wieder versuchen. Und falls sie ihn nicht erreichte, würde sie eben nach Diyafa fliegen.
    Rakin musste wissen, dass sie ein Baby bekamen.

12. KAPITEL
    Das Meer umspülte ihre
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