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Würfelwelt (German Edition)

Würfelwelt (German Edition)

Titel: Würfelwelt (German Edition)
Autoren: Karl Olsberg
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sitze und mich an seinen beiden Hörnern festhalte.
    Der Drache ist nicht begeistert. Er versucht, mich abzuschütteln, macht einen Sturzflug, überschlägt sich, dann jagt er genau auf eine Obsidiansäule zu. Er kann durch sie hindurchfliegen, für mich ist sie massiv.
    Ich klammere mich dicht an seinen Hals. Dies ist keine Säule!
    Ich fühle nicht mehr als ein Kribbeln, als wir hindurch fliegen.
    Die mächtigen Muskeln spannen sich unter mir, der Herzschlag des Drachen schlägt synchron mit meinem eigenen. Ich bin eins mit ihm, während wir durch die Luft rasen.
    Ich reite auf einem Enderdrachen! Schade, dass ich das niemandem mehr erzählen kann.
    Eine seltsame, ausgelassene Stimmung befällt mich. Ich habe mal gehört, dass das Gehirn beim Tod Endorphine ausschüttet – Glückshormone, die einem den Abschied aus dem Leben versüßen. Am liebsten würde ich laut auflachen.
    Dann denke ich an Amelie, und die Fröhlichkeit verfliegt.
    Dies mag mein Ende sein, aber noch bin ich nicht tot. Vielleicht kann ich den Ärzten irgendein Zeichen hinterlassen, so dass sie sehen, dass ich keines natürlichen Todes gestorben bin. Wenn sie merken, dass etwas nicht stimmt, werden sie mich genauer untersuchen. Sie werden das Gift finden, das mich getötet hat. Die Polizei wird Nachforschungen anstellen. Die Krankenschwester wird aussagen, dass sie Amelies Vater außerhalb der Besuchszeit an meinem Bett gesehen hat. Sie werden ihn verhören und die Wahrheit wird ans Licht kommen.
    Dann wäre Amelie aus ihrem Gefängnis befreit und mein Ende hätte einen Sinn. Doch wie soll ich das erreichen?
    Ich beuge mich vor und flüstere dem Enderdrachen ins Ohr: „Hör mal, Drache, du musst mir helfen! Ich muss einen Ausgang aus dem Ende finden!“
    Eine Stimme, kalt wie Eis, erklingt direkt in meinem Kopf. „Dann musst du mich töten.“
    „Aber ich will dich nicht töten! Ich habe die Nase voll davon, mich zu prügeln. Können wir nicht zusammenarbeiten, ein Team sein, du und ich?“
    „Du bist ein Sterblicher. Ich bin der Tod. Wie könnten wir gemeinsame Sache machen?“
    „Ganz einfach: Du hilfst mir, aufzuwachen, nur für einen kurzen Moment. Danach kannst du mit mir machen, was du willst.“
    „Du wirst sterben.“
    „Ja, ich weiß. Aber vorher muss ich noch etwas erledigen.“
    „Was willst du tun?“
    „Das weiß ich noch nicht genau. Aber ich muss aufwachen, nur für einen kurzen Moment.“
    „Warum sollte ich dir helfen?“
    „Weil das die einzige Möglichkeit ist, mich von deinem Hals herunterzubekommen!“ Um ihn für meinen Vorschlag zu erwärmen, zwänge ich meine Finger zwischen zwei der Schuppen auf seinem Kopf und zerre daran, in der Hoffnung, dass es ihm Schmerzen verursacht.
    „Lass das, das kitzelt!“
    „Ich höre auf, sobald du mir den Ausgang in die Wirklichkeit zeigst.“
    „Es gibt keinen Ausgang“, antwortet der Enderdrache. „Und es gibt keine Wirklichkeit.“
    „Hör auf, rumzuphilosophieren. Du weißt genau, was ich meine!“
    Der Enderdrache seufzt. „Also schön. Halt dich fest!“
    Er schlägt heftig mit den Flügeln und rast auf den Rand der Endeinsel zu. Dahinter ist nur Dunkelheit.
    „Was hast du vor?“, frage ich. „Wo willst du hin?“
    „Ich werde dir zeigen, wie deine Situation wirklich ist. Dann lässt du mich vielleicht endlich in Ruhe.“
    Wir schießen über den Rand des Endes hinaus. Als ich mich umdrehe, kann ich die Endermen sehen, die sich an der Kante versammelt haben und mir nachstarren.
    Die Insel wird immer kleiner, bis sie schließlich im Nichts verschwindet. Doch der Drache schlägt immer noch heftig mit den Flügeln. Obwohl ich um uns herum nichts mehr wahrnehmen kann, habe ich das Gefühl, dass wir uns mit rasender Geschwindigkeit bewegen.
    Ich starre angestrengt nach vorn, sehe jedoch nichts. Stattdessen spüre ich, wie meine Lebenskraft immer weiter schwindet.
    Ich will einen Heiltrank nehmen, doch es sind keine Gegenstände mehr in meinem Kopf. Ich blicke an mir herab. Statt der Diamantrüstung trage ich nur ein dünnes Nachthemd.
    „Beeil dich ein bisschen“, raune ich dem Drachen zu. „Ich habe nicht mehr viel Zeit!“
    Er antwortet nicht.
    Ich weiß nicht, wie lange wir lautlos durch die Dunkelheit gleiten. Ich werde müde, möchte die Augen schließen, mich nur für einen kurzen Moment auf den glatten Schuppen des Drachen ausruhen.
    Nein, rufe ich mir selbst zu. Du darfst nicht einschlafen!
    Doch meine Augen werden immer schwerer.
    Da erkenne ich in der
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