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Würfelwelt (German Edition)

Würfelwelt (German Edition)

Titel: Würfelwelt (German Edition)
Autoren: Karl Olsberg
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läuft ein Schauer durch den Arm. Doch der Riese erwacht nicht.
    Es hat keinen Sinn. Ich kann zwar ein paar Reflexe auslösen, aber zum Aufwachen reicht es nicht.
    Erschöpft sinke ich zu Boden. Ich kann nicht mehr. Ich habe alles gegeben. Es hat nicht gereicht.
    Eine tiefe Müdigkeit befällt mich. Die Haut, auf der ich liege, ist warm und weich. Amelies weinendes Gesicht erscheint ein letztes Mal vor meinem geistigen Auge. Ich hätte ihr so gern geholfen. Doch ich kann mich nicht mehr rühren.
    Die Dunkelheit, in die ich sinke, fühlt sich warm und sanft an. Der Tod hat recht gehabt: Es ist nicht schlimm, zu sterben.
    Ich spüre ein starkes Beben unter mir. Verwirrt sehe ich mich um.
    Der Enderdrache hockt ein Stück entfernt genau in der Armbeuge. Er trommelt mit seinen vier Beinen, Kopf, Schwanz und Flügelspitzen rhythmisch auf die Haut. Acht Berührungen, wie die acht Beine einer Spinne.
    Eine Spinne. Eine fiese haarige Spinne. Mit meiner letzten Kraft konzentriere ich mich auf dieses Bild. Ich stelle mir vor, wie sie über meinen Arm krabbelt. Ihre dünnen, haarigen Beine kitzeln meine Haut.
    Die Vorstellung ist unerträglich.
    Plötzlich werde ich durch die Luft geschleudert. Ich pralle auf, klammere mich verzweifelt an einem Haar fest. Für einen Moment verliere ich die Orientierung, weiß nicht mehr, wo oben und unten ist. Der Arm ragt auf einmal steil empor, die Bettdecke ist tief unter mir. Dann gibt es einen weiteren Ruck, als mein schlafendes Selbst den Arm durch die Luft wirbelt, um die imaginäre Spinne abzuschütteln. Das gigantische Kabel peitscht durch die Luft. Der Stecker wird aus dem Gerät gerissen.
    Ein durchdringendes Piepen ertönt.
    Ich stürze in die Tiefe. Unter mir, mitten in der Bettdecke, erscheint ein dunkles Loch. Es wird immer größer, während ich darauf zu falle.
    Es wird mich verschlingen, doch das ist mir egal.
    Ich bin so müde ...
    Das Letzte, was ich höre, bevor ich das Bewusstsein verliere, sind eilige Schritte auf dem Flur.
     
     

22.
     
    Irgendetwas stimmt nicht, aber ich weiß nicht, was.
    Ich weiß nicht einmal, woher ich weiß, dass etwas nicht stimmt. Da ist nur dieses merkwürdige Gefühl, dass die Welt nicht so ist, wie sie sein sollte.
    Die Welt, das ist ein Bett in einem hell erleuchteten Zimmer. Neben dem Bett stehen Leute. Ich kann sie nur verschwommen erkennen. Von irgendwoher ertönt ein gleichmäßiges Piepen.
    Jetzt weiß ich wieder, was mich irritiert: Die Welt ist weich und rund. Statt ordentlicher, gerader Würfel gibt es überall nur unregelmäßige, fließende Formen.
    „Marko!“, ruft eine der Personen neben mir. Ich kenne den Namen irgendwoher. Und ich glaube, ich kenne auch die Person. Sie heißt Amelie.
    Ich drehe den Kopf in ihre Richtung. Jetzt kann ich ihr Gesicht ein bisschen besser sehen.
    Sie weint.
    „Marko!“, ruft sie erneut. „Oh, Marko!“ Sie beugt sich über mich, umklammert mich, presst ihren Kopf an meine Brust. Ihr Haar riecht gut.
    Ich will ihren Rücken streicheln, doch ich kann meinen Arm nicht bewegen. Oder doch? Ich versuche es, und mit einer enormen Kraftanstrengung gelingt es mir, ihn ein Stück weit anzuheben, bevor er wieder herabsinkt. Warum ist er bloß so schwer?
    Amelie löst sich von mir. Sie blickt mir in die Augen. Tränen tropfen auf meine Wangen. Es kitzelt.
    „Kannst du mich hören, Marko?“
    Ich versuche, etwas zu sagen, doch meine Kehle ist trocken und ich bringe nur ein hustendes Krächzen hervor. Es ist wichtig, dass ich ihr etwas mitteile. Ich weiß bloß nicht mehr, was.
    „Er braucht noch etwas Ruhe“, sagt eine andere Person. „Am besten, du lässt ihn noch ein wenig schlafen.“ Die Person trägt einen weißen Kittel. Das macht mir Angst. Und plötzlich fällt mir wieder ein, was ich Amelie unbedingt sagen muss.
    „D... de....“, stammele ich.
    Amelie beugt sich vor. „Was?“
    „Der ... der Enderman ... wo ...“
    „Enderman?“, fragt sie. „Ich verstehe nicht, was du meinst!“
    Ich spüre, wie am Rand meines Gesichtsfelds Dunkelheit emporkriecht, die Wirklichkeit auffrisst wie zäher, schwarzer Schleim. Ich falle rückwärts in einen dunklen Tunnel. Ich will mich an der Welt festklammern, doch ich finde keinen Halt.
     
     

23.
     
    Als ich diesmal aufwache, ist die Welt wieder so, wie sie sein soll. Bis auf die bohrenden Kopfschmerzen.
    Meine Eltern stehen neben meinem Bett. Mein Vater, der uns schon vor Jahren verlassen hat, sieht älter aus, als ich ihn in Erinnerung habe.
    Als
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