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Worum Es Geht

Worum Es Geht

Titel: Worum Es Geht
Autoren: Jutta Ditfurth
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eine politische Aktion schiefgeht, obwohl sie gut begründet und vorbereitet ist, ist dies keine Frage von »Schuld«. Das Merkwürdige ist ja, dass sich aus einem Scheitern auf hohem Niveau
fürs nächste Mal
mehr lernen lässt als aus einem vom schieren Zufall begünstigten Erfolg. Jede gut vorbereitete Aktion löst Denkprozesse aus und hinterlässt die Welt und die Handelnden verändert.
    Was ist zu tun?
Theorie, Aktion, Organisation
.
    Theorie
ist Kopfarbeit, lesen, denken, analysieren. Das ist anstrengend, lässt sich aber lernen, und es geht leichter im Kollektiv. Lesen: Karl Marx, mit ihm eignet man sich die Kapitalismusanalyse an, die Methode, das Kopfwerkzeug, mit der Wirklichkeit umzugehen. Dann zum Beispiel Rosa Luxemburg, Herbert Marcuse, Hans-Jürgen Krahl.
    Theorie ist keine Gebrauchsanweisung für die Aktion, aber Bedingung zur Erkenntnis der Welt und Ausgangspunkt zur Begründung und Überprüfung politischer Praxis. Theorie speist sich aus der Empirie. Wenn der Intellektuelle sich nur an den schönen Worten um ihrer selbst willen ergötzt, schwebt die Theorie davon und wird bedeutungslos oder Unterhaltung. Ohne theoretisches Rüstzeug versinkt die Praxis im Sumpf der Mittelmäßigkeit und hält dem Druck der feindseligen herrschenden Verhältnisse nicht stand. Die Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse hilft uns auch, die strategische Entscheidung zu treffen, für welchen der überwältigend vielen gesellschaftlichen Konflikte wir uns entscheiden. Wir sind schließlich eine Minderheit, die sich nicht verzetteln, sondern eine maximale Wirkung entfalten will.
    Bei der
Aktion
kommt es nicht darauf an, um jeden Preis einen Fehlschlag zu verhindern. Das könnte letztendlich ja nur dadurch garantiert werden, dass man den Versuch gar nicht erst unternimmt. Wenn man ohne Erfolgsgarantie gar nicht anfangen will, bleibt nur trostlose Erstarrung. Eine kluge politische Aktion ist gut vorbereitet, außer sie entsteht spontan, weil wir zum Beispiel einschreiten müssen, wenn Nazis einen Menschen zusammenschlagen. Es geht bei Aktionen um vielerlei: aufklären, etwas verhindern, Angst überwinden, Grenzen der Legalität austesten, Erfahrungen sammeln, theoretische Erkenntnisse überprüfen, Solidarität praktizieren und strategisch gewählte Konflikte polarisieren.
    Eine kluge politische Aktion ist kein Selbstzweck, sondern Teil eines Konzepts. Sie muss neben den politischen Zielen auch die Ängste, Stärken und Lernfähigkeit der Teilnehmenden berücksichtigen. Im besten Fall ist sie auch öffentlich gut vermittelbar. Es gibt aber auch Aktionen, die notwendig sind und schwer oder erst einmal nicht vermittelbar. Die Handelnden müssen sie vor sich selbst verantworten. Und danach wird die Aktion ausgewertet.
    Theorie und Aktion brauchen die
Organisation
als Rahmen für theoretische Lernprozesse und als Träger für die Aktion. Diese Organisation soll eher keine Partei sein, aber auch die Fehlorientierung aufs lockere, unverbindliche Netzwerkeln sollte sich inzwischen erledigt haben.
    Manchmal hat man den Eindruck, kritische Menschen in Deutschland sind besonders organisationsfeindlich und individualisiert. In ihrer Arbeitszeit und in der so genannten Freizeit unterwerfen sie sich unendlich vielen fremden Zwängen. Sich aber selbstbestimmt mit anderen zusammenzuschließen, um die Gesellschaft zu verändern, erscheint ihnen als lästiger Zwang und nicht als das, was es sein kann: ein selbstbestimmter, befreiender Akt.
    In neueren sozialen Gruppen wird manchmal aus der korrekten Forderung nach antihierarchischen Strukturen die Missachtung politischer Erfahrungen und die Ignoranz gegenüber der Geschichte sozialer Bewegungen. Ein falscher Begriff von »Gleichheit« verklebt die Köpfe. Auf diese Weise setzen sich heimlich, bevor neue basisdemokratische, sozialistische oder rätekommunistische Strukturen gefunden sind, informelle Hierarchien und Intransparenzen durch, und eine Bewegung verblödet oder stirbt ab.
    Hans-Jürgen Krahl, ein kluger Kopf der außerparlamentarischen Opposition der 1960er Jahre, sagte: »Die Massen sind in der autoritären Leistungsgesellschaft von Erziehung, Manipulation und exekutiver Indoktrinierung so sehr auf Autoritäten fixiert, dass sie zunächst für ihre Aufklärung selber Autoritäten – und zwar solche, die sich als kritische Autoritäten begreifen – nötig haben.« 14 Also, klare, gewählte Strukturen mit konkreten Verbindlichkeiten, jederzeitige Abwählbarkeit und gut
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