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Worum Es Geht

Worum Es Geht

Titel: Worum Es Geht
Autoren: Jutta Ditfurth
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WORUM ES GEHT

    Frei und glücklich zu sein ist der Sinn deiner Existenz. Du bist ein wunderbares, komplexes Produkt der Evolution mit schier unglaublichen Möglichkeiten. Du hast eine biologische und eine soziale Seite. Ohne Sauerstoff, Wasser und Nahrung kannst du nicht den dümmsten Gedanken fassen. Ohne andere Menschen überlebst du nicht, ohne dich mit ihnen auseinanderzusetzen wirst du nicht klüger. Vom ersten Moment deines Lebens an bist du ein gesellschaftliches Wesen.
    Der Sinn des Lebens ist es, dass alle Menschen die gleiche Freiheit haben, ihre sozialen, sinnlichen, intellektuellen, künstlerischen, handwerklichen und technischen Fähigkeiten zu entfalten. Die Vorbedingung wirklicher Freiheit ist, dass die Menschen die gleichen materiellen Möglichkeiten haben, um sich in ihrer individuellen Unterschiedlichkeit frei zu entwickeln. Dass sie sozial gleich sein müssen, um wirklich frei sein zu können.
    Angeblich herrscht in dieser Gesellschaft ja Gleichheit. Aber was nützt dir diese formale bürgerliche Freiheit, wenn du kein Geld für eine gute Wohnung hast und keins, um zu lernen und zu studieren? Was bringt dir das angeblich formal gleiche Recht vor Gericht, wenn du den besseren Anwalt oder die nächste Instanz nicht bezahlen kannst? Worin besteht der Wert einer gleichen Wahlstimme, wenn dir das Geld für den Zahnarzt fehlt und du Lebensmittel von der Tafel annehmen musst?
    Gesellschaftliche Verhältnisse herzustellen, in denen der Mensch frei und sozial gleich ist, ist Zweck und Ziel emanzipatorischer linker Politik. Dem sind im Kapitalismus erstickend enge Grenzen gesetzt. Du begegnest Leuten, die viel von Freiheit reden und sogar behaupten, dass du als Bürger und Bürgerin deines Landes »frei« bist. Aber wessen Freiheit meinen sie? Und was für eine Art von Freiheit? Freiheit wovon und wozu? Deine Konsum
freiheit
als zahlungskräftiger Kunde? Die Freiheit, deine Arbeitskraft, wenn überhaupt, zu einem Preis zu verkaufen, der nicht einmal ein einfaches, würdiges Leben finanziert?
    Der freie Strom von Geld, Waren, Waffen und Billigarbeitskräften über die Staatsgrenzen für den maximalen Profit diverser Kapitalfraktionen ist der Gründungszweck der Europäischen Union (EU). Zum Alltag der EU gehören Ungleichheit und Unfreiheit der Menschen, die – auf ein besseres Leben gehofft habend – sich in den Nato-Stacheldrähten europäischer Grenzen verfangen oder im Mittelmeer versinken.
    Es herrscht Krieg zwischen »Eliten« und Masse, zwischen den Herrschenden und der Mehrheit der Bevölkerungen. Mancherorts ist der Krieg offen erklärt. Anderenorts findet er hinter dem Rücken von Menschen statt, die nicht genau wissen, worunter sie leiden, und noch weniger wissen vom Leben der anderen. Aber wenn du nicht
begreifst
– und dazu gehören Empathie, Wissbegier und Kopfarbeit, die Arbeit an Begriffen –, wie die Gesellschaft funktioniert, wie kannst du sie dann zum Besseren verändern?
    Dieser Krieg heißt Kapitalismus. Er herrscht weltweit. Er ist die Krise unseres Lebens. Der Kapitalismus ist nicht erst dann unser Problem, wenn er selbst eine Krise hat, er ist es schon in seinem menschenzerstörenden und naturplündernden Normalzustand. Wohlhabende und Reiche sind nicht Teil dieses »uns«. Oft haben sie die Krise ja mitzuverantworten, und viele ihrer Kaste macht sie noch reicher und mächtiger.
    Das über seinen terroristischen Normalzustand hinausgehende zusätzliche Dilemma des Kapitalismus ist seine Krisenhaftigkeit. In unregelmäßigen Abständen überfällt ihn eine Überproduktionskrise. Das ist eine Gesetzmäßigkeit. Diese Krisen sind mühsam zu durchschauen. Wenn die Schulbildung schlechter wird und die Propaganda raffinierter, also in Zeiten wie der unseren, fällt es noch mehr Leuten schwer, die sich verändernde soziale Realität zu begreifen. Sie finden keine passenden Worte, keine eigene Sprache, während die Verursacher ihrer Lage mit voller Medienmacht die falschen Begriffe in alle Köpfe hämmern.
    Die Erscheinungsformen des Kapitalismus sind verwirrend vielfältig. Es gibt ruhigere historische Phasen. Ihre Voraussetzung sind nationale Sondersituationen und dass die Bevölkerung des Landes die in andere Teile der Welt ausgelagerten Verbrechen des Kapitals übersieht und verdrängt. Das Leid anderer wegzuschieben ist auch in Deutschland eine eingeübte Kulturtechnik. Vor 1945 übersahen viele nichtjüdische Deutsche das »Verschwinden« ihrer Nachbarn. Heute verteidigen Enkel
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