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Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
Autoren: Paul Beldt
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zu einem Zopf zu binden. Aber es würde vielleicht etwas lächerlich aussehen: ein vollbärtiger Mann mit einem Zopf. Ich habe mir nämlich einen Bart wachsen lassen und dabei bemerkt, dass ich Gefallen an meiner zunehmenden Verwilderung finde. Seitdem dusche ich auch nicht mehr und wasche mich höchstens einmal in der Woche mit einem Lappen. Die Bermudas und das T-Shirt trage ich wenigstens zwei Wochen, selbst wenn sie durch meine Robberei im Beet und auf dem Rasen stark verschmutzt sind. Mein Wirken im Vorgarten bekommt dadurch einen Schlag ins Verbotene. Ein Hauch von Hausbesetzertum weht durch den Vorgarten, was mir gleich eine Menge Sympathien von der linken Szene eingebracht hat. Die Fotos, die Herr Wündisch von mir auf die Homepage gestellt hat, haben offenbar auch eine beträchtliche Wirkung auf diverse Chaoten. Im Gästebuch bekomme ich nun fast täglich Sympathiebekundungen von jungen Leuten, die in ihrer Freizeit gerne teure Autos abfackeln oder Schaufenster von Luxusgeschäften einschlagen. »Halt durch!«, heißt es da, oder: »Wir sind auf deiner Seite.« Man kann sich seine Sympathisanten eben nicht aussuchen. In Kreuzberg hat sich vor kurzem ein »Aktionsbündnis Bernd Wollmann« gegründet, das unter diesem Namen luxussanierte Altbauten mit Farbe bewirft. Ich kann nicht sagen, dass ich das gutheiße. Deshalb bekam ich neulich wohl auch Besuch von der Polizei. Zwei Wagen mit insgesamt vier Polizisten, darunter zwei Polizistinnen, hielten vor unserem Haus und wollten wissen, ob ich irgendetwas mit diesem Aktionsbündnis zu tun habe.
    »Sehe ich aus, als würde ich Schaufenster einschlagen?«, fragte ich munter von meinem Campingstuhl aus.
    Die Polizisten sahen sich skeptisch an, was ich dann doch etwas beleidigend fand.
    »Wir müssen eben jedem Verdacht nachgehen«, sagte einer von ihnen.
    »Haben Sie denn irgendeinen Beweis für Ihre abenteuerlichen Unterstellungen?«, fragte ich furchtlos.
    »Wir haben einen Hinweis bekommen«, meinte der älteste der vier.
    Ich war schockiert. Wer auf die Idee gekommen ist, mir kriminelle Machenschaften zu unterstellen, gehört vor Gericht. Ich dachte zunächst an Frau Wüstner, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Dann fiel mir Helga ein, die sich vielleicht an mir rächen wollte.
    »Von einer Frau?«, fragte ich.
    »Wir dürfen Ihnen keine Auskünfte geben«, erklärte die junge Frau mit dem blonden Zopf.
    »Sie wohnt nicht zufällig hier gleich nebenan?«, hakte ich dennoch nach.
    »Es tut mir wirklich leid, aber der Hinweis ist vertraulich.«
    »Aha«, sagte ich, ohne zu wissen, was daraus zu folgern war.
    »Könnten Sie sich bitte ausweisen«, forderte mich die andere Polizistin auf. Anscheinend waren es die beiden Frauen, die mich auf dem Kieker hatten, was mich eigentlich nicht verwunderte.
    »Ich könnte«, sagte ich, »aber mein Pass befindet sich im Haus.«
    »Dann holen Sie ihn bitte raus.«
    »Dazu müsste ich allerdings das Haus betreten«, meinte ich, immer noch gemütlich auf meinem Stuhl sitzend, »was ich normalerweise nur einmal die Woche tue.«
    Die Polizisten, insbesondere jedoch die Polizistinnen, schienen langsam die Geduld mit mir zu verlieren. Ich wunderte mich selber, dass ich der Staatsmacht so offen Paroli bot. Zoes Einfluss war doch größer, als ich anfangs vermutet hatte.
    »Wir können Sie auch ins Präsidium bestellen, wenn es Ihnen lieber ist«, bemerkte nun wieder die andere Polizistin. Die Männer hielten sich nach wie vor zurück. Der jüngere von beiden, ein Typ mit Brille, schien sich besonders für das Kaninchengehege zu interessieren.
    »Ist das Tier den ganzen Tag hier draußen?«, fragte er.
    »Den ganzen Tag und die ganze Nacht«, antwortete ich.
    »Ich habe früher mal einen Hasen gehabt«, meinte sein älterer Kollege, »aber weil meine Frau etwas gegen die Kötel hatte, musste ich ihn leider weggeben.«
    »Ich dachte, deine Frau hat dich deswegen verlassen?«, sagte der mit der Brille.
    »Sie hat mich erst hinterher verlassen, als ich den Hasen schon abgeben hatte«, erwiderte sein Kollege leicht empört.
    »Unmöglich!«, sagte die Brille.
    »Könnten wir uns jetzt vielleicht auf Herrn Wollmann konzentrieren«, sagte die Polizistin mit dem blonden Zopf streng.
    Die Männer blickten mich an, als würden sie im Grunde auf meiner Seite stehen. Ich war immer noch verblüfft, was mein neues Selbstbewusstsein bei meinen Mitmenschen alles bewirkte. Selbst die Polizei, zumindest der männliche Teil, betrachtete mein
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