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Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
Autoren: Paul Beldt
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mir.«
    Aus ihrer Sicht muss ein Mann immer etwas zu tun haben. Die Welt erobern oder wenigstens ab und an einen Baum ausreißen.
    »Außerdem«, füge ich still vergnügt hinzu, »finde ich es beruhigend, dass du noch intelligenter bist als ich.«
    Ich frage mich, weshalb so viele große Denker frauenlos geblieben sind. Kant, Schopenhauer, Buddha. Vielleicht, weil Nachdenken unmännlich ist. Weil man dabei mehr Sitzfleisch denn Muskeln benötigt. Und ein Mann mit einem großen Hintern ist für die Frauenwelt offenbar unattraktiv.
    »Ich habe ständig neue Ideen«, werfe ich noch ein.
    »Wenn du sie nicht verwirklichst«, erklärt sie, »bringt das überhaupt nichts!«
    »Große Ideen brauchen nun mal ihre Zeit, bis sie umgesetzt werden«, sage ich, bevor ich das fruchtlose Gespräch beende, aufstehe und meinen Kopf ins Kaninchengehege stecke.
    »Es ist echt nicht nett, wie du mich immer behandelst«, sagt sie. Aber da angele ich mit der Zunge bereits geschickt nach der Mohrrübe und lasse die Sonne auf meinen großen Hintern scheinen.
    Seit ich im Zelt lebe, komme ich langsam wieder zu Kräften. Ich zögere nicht mehr, Klartext zu reden. Meine Sorge, nicht von allen gemocht zu werden, ist einem neuen Selbstverständnis gewichen: Ich zerbreche mir nicht mehr anderer Leute Köpfe. Tief in meinem Inneren bin ich inzwischen wohl doch ein Pirat, der sich um sein Ansehen da draußen in der Welt nicht mehr groß schert. Ich sage einfach, was ich denke. Dass einige Menschen damit Probleme haben, stört mich nicht im Geringsten.
    Herr Wündisch hat das zu spüren bekommen, als ich ihn vor einigen Tagen vom Grundstück geworfen habe. Ich lag in der Hängematte und beobachtete das zarte Spiel der Blätter im Baum, als Herr Wündisch plötzlich mit gezücktem Notizblock neben mir stand. Ich sagte: »Raus! Sehen Sie nicht, dass ich meine Ruhe haben will? Kommen Sie morgen wieder.« Herr Wündisch sah mich einen Moment sprachlos an. Dann entschuldigte er sich und verließ den Vorgarten. Beim nächsten Mal wartete er geduldig am Zaun, bis ich ihn bat hereinzukommen.
    Vor noch nicht allzu langer Zeit hätte ich ihn an der Hängematte gewähren lassen und seine Fragen höflich beantwortet.
    Zu meiner Verblüffung nimmt Herr Wündisch meine klaren Worte jedoch nie übel. Im Gegenteil. Sein Respekt vor mir wird ständig größer.
    Auch gegenüber meiner inzwischen mehrere Tausend Menschen umfassenden Fangemeinde – vor wenigen Tagen konnte das neuntausendste Mitglied auf meiner Homepage begrüßt werden – müssen manchmal harte Worte fallen, damit ihre Zuneigung nicht überhandnimmt. Neulich robbte ich morgens aus dem Zelt und sah, wie ein halbnackter Mann mit seinem Kopf im Kaninchengehege steckte und an einer Mohrrübe nagte.
    Solche Übergriffe kann ich auf gar keinen Fall tolerieren.
    »Sie verlassen jetzt sofort das Grundstück, sonst hole ich die Polizei«, forderte ich ihn unmissverständlich auf.
    Der Mann wirkte sichtlich verzweifelt, was mich jedoch überhaupt nicht beeindruckte. Schließlich bin ich kein Auffanglager für misshandelte Männer.
    »Ich bin ein Jünger der ersten Stunde!«, rief er. »Sie müssen mir helfen.«
    »Ich werde Sie wegen Hausfriedensbruch anzeigen«, sagte ich, »verschwinden Sie auf der Stelle.«
    »Meine Frau macht mich fertig, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.«
    »Das ist Ihr Problem«, antwortete ich kühl.
    »Sie sind meine letzte Rettung. Ich werde mich umbringen.«
    »Tun Sie das«, sagte ich, »aber nicht hier!« Ein Selbstmord in meinem Vorgarten war nicht akzeptabel.
    »Aber Sie treten doch für die Rechte der Männer ein!«
    »Nicht dass ich wüsste«, sagte ich.
    »Aber Sie fordern doch die räumliche Trennung von Männern und Frauen!«
    »Das ist ein Missverständnis«, sagte ich, »ich fordere nur getrennte Schlafzimmer.«
    »Was?« Er sah mich schockiert durchs Drahtgitter an. »Auf Ihrer Homepage steht aber, dass Sie für die Abschaffung der Ehe plädieren.«
    »Ich werde das sofort löschen lassen«, erwiderte ich.
    »Sie haben das also nicht gesagt?«
    »Ich habe nur gesagt, dass man die Institution Ehe überdenken sollte.«
    Auf einmal fing er an zu weinen.
    »Unterlassen Sie das«, sagte ich, »mit Weinen ist keinem gedient.«
    »Ich habe mich in Ihnen getäuscht«, schluchzte er und zog seinen Kopf aus dem Gehege.
    »Damit müssen Sie leben, nicht ich!«
    Er klaubte seine Sachen vom Boden und verließ, geschüttelt von neuerlichen Weinkrämpfen, den Vorgarten.
    Am
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