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Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin
Autoren: Nichole Bernier
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Piper hängen wie schlechtsitzende Kleidung, während sie durch die Stadt gingen, Leute würden ihnen den Kopf tätscheln und sie aufmerksamer als sonst begrüßen, manche würden sogar kleine Geschenke überreichen, wodurch die Kinder den Tod mit einem Feiertag durcheinanderbringen würden. Sie würden mit ihrem Vater zur Schule gehen, seine leeren Augen eine offene Tür zu einem Flur endloser kommender Tage. Während sie den Gang entlanggingen, würde die Menschenmenge fast unmerklich zurückweichen. Vorschullehrer und Eltern würden sie ein wenig zu herzlich begrüßen, und wenn die Kinder keine Regung zeigten, würden die Erwachsenen weitergehen, sich damit tröstend, dass sie es versucht hatten. Die Spensers würden sich in einer Trauerblase bewegen, und jeder, dem sie begegneten, würde kurzzeitig darin eingehüllt werden, denn die Blase würde die Spensers überallhin begleiten. Kate wusste das, hatte sie es doch bei den Martins erlebt. Die öffentliche Trauer, die verunsicherten Kinder, die immer noch aufgewühlt waren von dem »Sie kommt nicht mehr zurück«. Kate schauderte und schüttelte den Kopf, um das Bild loszuwerden.
    Sie drehte sich auf den Rücken und wischte sich mit dem Bettlaken über das Gesicht. Dann schlug sie das Laken über der Brust um und legte die Hände darauf, eine Ruheposition, die manchmal funktionierte. Sie erkannte die Umrisse der Fenster, und ein weißer Lichtstreifen leuchtete unter der Tür. Der Rauchmelder hing wie ein starres Auge an der Decke. Chris’ Atem roch trotz Zahnpasta nach Kaffee und war zu dicht an ihrem Ohr, feucht und abstoßend.
    Sie ließ sich aus dem billigen Laken gleiten und ging durchs Zimmer. Die kleine Tischlampe neben dem Sessel würde Chris nicht wecken.
    Neben dem Autoschlüssel und seinem Portemonnaie lagen zwei Wochenzeitschriften auf dem Schreibtisch. Eine berichtete über Anthrax, die andere über al-Qaida. Kate erschauderte bei Chris’ Vorstellung von Strandlektüre. Ein hohläugiger Bin Laden starrte vom Titelblatt. Ein T-Shirt lag zu ihren Füßen, und sie legte es auf die Zeitschriften und setzte sich auf die Sesselkante.
    Auf dem Highway fuhren Lastwagen vorbei, und der Lärm drang durch die nicht ausreichend schallisolierten Fenster. Die Tischlampe brummte mit elektronischem weißem Rauschen. Im Bad tropfte ein Wasserhahn.
    Neben dem Schreibtisch blitzten Metallspiralen zwischen den gewebten Griffen ihrer Tasche hervor.
    Sie griff hinein und zog das Notizbuch mit den wenigen Einträgen heraus, Elizabeths letztes.
9. Juli 2001
Habe Michael heute wieder in der Stadt gesehen. Wir haben uns im Central Park getroffen und im Schneidersitz auf der abgewetzten alten Decke gesessen, die ich immer beim Zwergenfußball benutze. Wir haben lange geredet, wahrscheinlich länger, als er eingeplant hatte, und ich habe mich sogar noch wohler gefühlt. Er hat meine Hände genommen und gesagt, dass er meinen Schmerz spüren kann, was tatsächlich gar nicht kitschig klang. Ich glaube, er ist zu Ironie gar nicht fähig.
Er hat mich gebeten, nach Joshua Tree zu kommen, hat mir vom Haus und der Landschaft erzählt, den Pferden, den endlosen Wanderwegen, der Wüste bei Nacht. Wenn er meinen Arm berührt, knistert es. Die Sonne strahlt von seinem glatten Schädel, anstatt nur darauf zu scheinen. Wenn er mir in die Augen sieht, fühlt es sich zum ersten Mal in meinem Leben so an, als ob mich jemand durch und durch kennt, und ja, ich würde ihm überallhin folgen.
22. Juli 2001
Kate war dieses Wochenende mit ihrer Familie da, sie haben einen Zwischenstopp gemacht auf ihrem Weg in den Urlaub. Wir sind am Strand spazieren gegangen, ein wunderschöner Morgen, aber ich war kurz davor, zu zerplatzen, so aufgedreht und erschlagen war ich. Ich kann gar nicht glauben, dass niemand merkt, wie es mir geht.
Wir haben über Kunst und das College gesprochen, und wow, sie versteht mich wirklich besser als jeder andere hier. Ich habe trotzdem der Versuchung widerstanden, ihr alles über die Reise zu erzählen, hab ihr nur die offizielle Version gegeben. Es geht einem nur selten besser, wenn man sich anderen anvertraut; sie können damit meistens nichts anfangen und sehen dich nur mit anderen Augen an. Aber vor allem will ich nicht, dass etwas davon rauskommt, ich will auf keinen Fall, dass es die Kinder irgendwie beeinflusst. Bisher ging’s gut, und wie verquer es auch klingen mag, ich war selten so stolz auf mich.
    Kate fasste sich mit zitternden Fingern an die Stirn. Sie wusste
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