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Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin
Autoren: Nichole Bernier
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nicht, ob sie für das hier bereit war. Nicht nur für die Möglichkeit, dass Elizabeth eine Affäre hatte, sondern auch dafür, zu lesen, was ihre Freundin wirklich über sie gedacht hatte, all die kleinen Eindrücke und Urteile, die wir für uns behalten.
6. August 2001
Wegbeschreibung nach Joshua Tree ausgedruckt, Reservierung bestätigt und das restliche Geld, das ich noch brauche, am Automaten abgehoben. Ich muss die ganze Zeit daran denken, ob Dave die Abbuchungen diesen Monat bemerkt hat, und zwischendurch mache ich mir Sorgen, ob ich dieses Buch nicht auch wegschließen soll.
Noch drei Tage bis zur Abreise. Habe noch nie so sehr auf etwas hingefiebert oder so viel erwartet.
9. August 2001, 6.00 Uhr
Die Sonne ist schon aufgegangen, aber die Kinder sind noch nicht wach. Emily ist wieder eingeschlafen, nachdem ich sie gefüttert habe, und ich habe noch ein paar Minuten, bevor ich duschen gehe. Ich kann es kaum erwarten, aber bringe es auch kaum über mich, sie so klein zurückzulassen.
Jetzt muss ich mich zusammenreißen und den Kindern auf Wiedersehen sagen und daran denken, eine große Show daraus zu machen, wenn ich die Malsachen einpacke, die sie gekauft haben. Muss sie irgendwie mit all dem fürchterlichen Schreibkram reinquetschen. Und in all dieser Aufregung merke ich, wie ich an Kleinigkeiten hängenbleibe: Wird Dave hören, wenn Emily nachts weint, und Jonah rechtzeitig zum Bus bringen und daran denken, dass Anna sich an Apfelschale verschluckt? Alles, was schiefgehen könnte, wenn ich weg bin, gegen all das, was gutgehen könnte. So egoistisch.
»Kommt darauf an, wie man egoistisch definiert«, meint Michael.
Ich darf nicht darüber nachdenken, sonst schaffe ich es nicht die Einfahrt hinunter, wenn sie mir Küsse zuwerfen und See you later, alligator, in a while, crocodile singen.
    Kate schloss das Buch und lehnte den Kopf an den harten Motelsessel, der nach Zigaretten stank. Sie kratzte am abgenutzten Stoff des Sitzkissens, grüne und braune Fetzen in einem Gemisch von Leinen und Kunststoff. Chris’ Atem stockte leicht bei jedem Atemzug.
    Sie sah Elizabeth an einem Geldautomaten, wie sie Geld abhob und hoffte, dass es unbemerkt blieb, den älteren beiden Kindern sagte, sie sollten den Kinderwagen festhalten. Wie sie Scheine aus dem Geldschlitz zog und nur ein verstohlener Blick über die Schulter durch ein paar lose Haarsträhnen verriet, dass das Geld nicht für Benzin und Lebensmittel bestimmt war. Kate versuchte sich vorzustellen, wie Elizabeth im Schneidersitz auf einer Decke saß, neben einem Mann, der nicht Dave war, versuchte sich die Sonne und das Knistern vorzustellen, doch es gelang ihr nicht. Sie versuchte sich vorzustellen, wie es sich wohl anfühlte, wenn jemand einen wirklich kannte.
    Chris schnarchte nun heftig, und im Kinderzimmer nebenan herrschte Stille. Sie zog den Autoschlüssel unter dem T-Shirt auf dem Schreibtisch hervor, und das Foto Bin Ladens kam wieder zum Vorschein. Seine Augen folgten ihr wie ein dämonisches Gemälde. Sie schaltete die Lampe aus. An der Tür hielt sie inne, als ihr der Kartenschlüssel zum Motelzimmer und der antike Schlüssel zu Elizabeths Truhe einfielen.
    Das Licht vom Gang fiel ins Zimmer, aber niemand rührte sich. Sie schloss die Tür sachte hinter sich und ging zum Parkplatz, der kaum beleuchtet und von Bäumen umringt war. Auf dem dahinterliegenden Highway fuhren in regelmäßigen Abständen Autos vorbei.
    Kate schloss den Kofferraum und die Truhe auf, legte das schmucklose Notizbuch oben auf den Stapel und kramte nach dem vorangegangenen. Sie schlug die Bücher auf, sah die Daten aus den 80ern und 90ern und schließlich 2000 und 2001. Auf dem Einband klebte ein Foto von Elizabeth mit Jonah und Anna, alle drei lachend in der Sonne. Elizabeths Lächeln und ihre Haltung wirkten auf eine Art und Weise befreit und gelöst, wie Kate sie selten erlebt hatte. Es war ein umwerfendes Bild, bittersüß wie ein Ereignis, das einen schon nostalgisch um sein Vergehen stimmt, obwohl es gerade erst stattfindet.
    Kate schlug das Buch auf. Sie wollte es eigentlich mit reinnehmen, konnte aber nicht anders, als es im schummrigen Licht der Innenbeleuchtung durchzublättern, gleichermaßen neugierig und sich elend fühlend bei dem Gedanken, zu erfahren, wie es dazu kam, dass dieser Michael mit der aufrichtigsten Frau der Welt Händchen hielt – mit einer Mutter, die jeden Tag mit offenen Armen empfangen hatte, wie es Elternmagazine einem rieten, da die Kinder
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