Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin
Autoren: Nichole Bernier
Vom Netzwerk:
ihr die Teilnahmlosigkeit abnehmen. Die feuchten Hände hatte sie in ihrem Schoß verschränkt.
    Er sah in den Rückspiegel. Die Kinder schliefen noch.
    »Arbeitet Dave schon wieder?«
    Seine Stimme war leise und klang ernst, wie bei jemandem, der über eine schlechte Diagnose spricht.
    Kate legte einen Fuß auf das Armaturenbrett.
    »Seit ein paar Monaten. Seine Firma hat ihm so viel Zeit gegeben, wie er brauchte.«
    Chris nickte zufrieden. Es war richtig von der Firma, und es gefiel ihm, wenn man etwas ohne großes Aufheben richtig machte.
    »Wie regelt er das mit den Kindern? Hatte sie Familie in der Nähe?«
    »Nein, es gibt niemanden.«
    Der kühler Luftstrom aus der Lüftung verursachte eine Gänsehaut auf ihrem Bein.
    »Er hat über eine Agentur ein Kindermädchen gefunden.«
    »Es ist komisch, sich Elizabeths Kinder mit einem Kindermädchen vorzustellen.«
    Das war auch ihr erster Gedanke gewesen. Als würde Starköchin Julia Child das Kochen an eine Haushälterin abgeben.
    »Das machen doch viele, Chris. Nicht alle bleiben zu Hause bei ihren Kindern.«
    Er sah sie unsicher an, als versuchte er einzuschätzen, was hinter ihrer Bemerkung stecken konnte.
    »Du weißt, dass ich das nicht gemeint habe, Kate.«
    Sie wandte sich wieder zum Fenster und rieb sich die Augen, als würden sie jucken. Ein Kindermädchen in Elizabeth Martins Haus. Es waren nicht die offensichtlichen Dinge, die sie am meisten mitnahmen – der Nachruf, die Trauerfeier, selbst der Anblick des Absturzortes, ein verkohltes Loch in Queens, das aussah, als könnte dort nie wieder etwas entstehen. Die Nebensächlichkeiten waren viel mächtiger. Eine angebrochene Packung Babymilchpulver auf der Arbeitsplatte in der Küche der Martins, als sie das erste Mal vorbeigekommen war, um auszuhelfen. Zu hören, dass Jonah vor ein paar Wochen seinen ersten Zahn verloren und Dave vergessen hatte, es der Zahnfee zu erzählen. Das waren die Kleinigkeiten, die manchen Tagen diesen dumpfen Schmerz verliehen, den Kate sich weder erklären noch abschütteln konnte.
    Ein Schild wies auf die Abzweigung nach Connecticut hin. Falls dieser nächste Highway weniger verstopft sein sollte als die anderen, würden sie nur noch eine Stunde brauchen. In den zwei Jahren, seit sie nach Washington, D. C. gezogen waren, hatten sie noch keine optimale Uhrzeit für die Fahrt gefunden, der Verkehr auf dem Nordost-Korridor war zu jeder Tages- und Nachtzeit schrecklich. Am Abend würden sie ein Hotel an der Grenze zu Massachusetts suchen und am Morgen die erste Fähre zur Insel nehmen, diesen Sommer für sieben Wochen anstelle der üblichen zwei. Falls Chris dem nur zugestimmt hatte, weil er wusste, wie sehr Kate diese Zeit brauchte, so hatte er es sich nicht anmerken lassen. Und sie sagte nichts.
    Dave hatte gefragt, ob sie auf der Durchreise vorbeikommen könnten, um die Truhe abzuholen. Kate konnte sich nicht vorstellen, sie mit in den Urlaub zu nehmen, doch Dave Martin hatte jetzt diese Wirkung auf Menschen: Sie waren hilfsbereit, sie änderten ihre Pläne, sie richteten sich nach ihm.
    Es war das erste Mal, dass sie sich mit den Kindern, aber ohne Elizabeth trafen. Kate und Chris hatten James und Piper nicht mitgenommen, als sie zur Beerdigung hochgefahren waren, eine bedrückende Szenerie, die noch trauriger wurde, als der Säugling in der ersten Reihe sabberte und die Ärmchen nach dem Foto seiner Mutter auf der Staffelei ausstreckte. Nun würden die Kinder zusammen spielen wie in alten Zeiten, doch die Erwachsenen mussten in ungewohnte Rollen schlüpfen. Dave wäre Gastgeber und Gastgeberin zugleich, Kate nur ein höflicher Gast in der Küche. Er würde vielleicht das Baby auf der Hüfte schaukeln, während er das Essen auftat und Milch in kleine Tassen goss, und Kate würde ihre Hilfe anbieten und sich dabei alle Mühe geben, es nicht so aussehen zu lassen, als stelle sie seine Kompetenz in Frage. Sie war jetzt der einzige soziale Kitt für die Männer, die sich stets nur wegen ihrer Ehefrauen getroffen hatten, und jemand müsste auch bei den Kindern das Sagen haben. Wir beschmeißen unsere Freunde nicht mit Sand und Warum wechseln wir uns nicht ab mit dem Bagger? Das war Elizabeths Aufgabe gewesen.
    Alles war Elizabeths Aufgabe gewesen.
    Während Chris den Wagen von der Interstate auf den Highway steuerte, zog Kate die Nachricht heraus, die der Notar ihr als einzigen Anhaltspunkt geschickt hatte. Die gleichmäßige Handschrift erinnerte an die auf Elizabeths
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher