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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler
Autoren: Anett Leunig
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Kannst du nichts mit Mädchen anfangen?“ Damit stieß sie sich von der Wand ab und schob sich an mir vorbei. Ich versuchte, eine Entschuldigung zu stammeln und sie am Arm zurückzuhalten, aber sie machte sich los und zischte: „Lass mich in Ruhe. Such dir eine andere, mit der du erst mal üben kannst. Ich will nicht mehr.“ Damit stapfte sie davon, und ich stand da wie ein begossener Pudel.
    Scheiße.
    Aber nach ein paar Minuten stillen Verharrens wurde es mir plötzlich erstaunlich leicht ums Herz. Es war vorbei! All diese Verpflichtungen, Zweifel und Ängste! Ich musste nichts mehr tun, wovon ich nicht wusste, was ich da eigentlich tat, und ob ich das überhaupt wollte. Felix! Ich musste es ihm gleich sagen, brauchte ihn jetzt an meiner Seite. Wo war der jetzt überhaupt?
    Ich lief zurück in die Aula und suchte mit den Augen im Halbdunkel die Tanzfläche ab. – Nichts.
    Dann die Bar. – Nichts.
    Die spärlich besetzten Tische. – Nichts.
    Nur Isabel saß mit ein paar ihrer Freundinnen da. Sie weinte, wohl wegen mir. Das tat mir leid, und zum ersten Mal verspürte ich für sie ein Gefühl von Zuneigung. Aber ich wusste, dass sie das jetzt noch weniger von mir wollte als einen echten Zungenkuss, und so wandte ich mich wieder ab und ging nach draußen, die Pärchen absuchen.
    Nach einigen Flüchen und Beschimpfungen der in ihrer Turtelei gestörten Liebespärchen fand ich Felix endlich in einer Ecke mit seiner Freundin – aber war das überhaupt seine? War Antonia nicht bis gestern noch blond gewesen? Sicher, Mädchen änderten ihre Haarfarbe schnell, aber die hier war nicht nur braunhaarig, sondern auch ein Gutteil fülliger als Antonia. Noch weicher. – Egal.
     „Felix, ich muss dir mal was sagen. Hast du grad’ einen Augenblick Zeit?“
    Ziemlich unpassend, aber mir fiel auf die Schnelle nichts anderes ein. Felix hatte mit mir allerdings überhaupt nicht gerechnet. Er fuhr herum, und ich sah, dass er beide Hände unter die Bluse der Brünetten geschoben hatte, und sie hielten ganz gewiss nicht ihre Taille. Seine Beine standen zwischen ihren – hatte ich da vorhin doch etwas falsch gemacht? –, und sein Unterleib hatte sich eben noch rhythmisch wie zu einer für mich unhörbaren Musik an ihrem gerieben. Seltsam, was man alles in dem Bruchteil einer Sekunde im Halbdunkel erfassen kann.
    Jetzt allerdings war er erstarrt, sein Gesichtsausdruck verstört und schuldbewusst, seine Augen blinzelten fast ängstlich zu mir herüber. Doch als er mich erkannte, wurde er plötzlich wütend. Ohne sie loszulassen, raunzte er mich an: „Nein, ich bin beschäftigt. Was willst du denn?“ Die Brünette seufzte unter ihm und blickte neugierig zu mir herüber.
    Ich stand stocksteif, zum zweiten Mal an diesem Abend und stotterte verlegen: „Ich wollte nur ... Ich weiß nicht ...“ Ich wusste nicht, wo ich hinschauen sollte. Seine Augen waren mir jetzt unangenehm, seine Hände aber auch. Also schaute ich auf seinen Hals. Ich fand, dass er einen schönen Hals hatte, mit einem kleinen Adamsapfel und festen Halsmuskeln. Besonders die kleine Kuhle am Übergang zwischen Hals und Brustkorb fand ich bei ihm sehr anziehend. Warum um Gottes Willen fiel mir das jetzt ein?!
    Ich schaute also auf diese kleine Kuhle und hoffte, dass Felix mir helfen würde, aus dieser peinlichen Situation herauszukommen. Aber er stieß mich im Gegenteil noch tiefer hinein:
    „Was druckst du so rum? Hast du nichts Besseres zu tun? Wo ist denn deine Kleine abgeblieben? Ist sie dir abgehauen, weil du sie nicht richtig festhalten konntest? Oder hast du sie am Ende sogar zerdrückt? So weich, wie sie für dich ist?“
    Er lachte, rau und trocken, sehr demütigend. Die Brünette lachte mit, tief und kehlig, nicht so hoch und schrill wie Antonia. Das schien ihn anzumachen, denn er drehte sich wieder zu ihr um und murmelte: „Ach, machen wir weiter.“ Und begann erneut, an ihr herumzufummeln und sich an ihr zu reiben.
    Ich schaute ihnen noch einen Augenblick dabei zu, zu geschockt, um noch irgendetwas zu sagen oder anderes zu tun als zu starren. Schließlich widerte es mich an. Er widerte mich an! Ich machte auf dem Absatz kehrt und rannte zum Fahrradabstellplatz. Da knutschten sie sich auch! Überall sah ich nur noch knutschende und fummelnde Pärchen!
    Ich raste mit dem Fahrrad geradewegs durch die Dunkelheit nach Hause, zwanzig Minuten Volldampf ohne Achtung auf Ampeln oder Vorfahrtstraßen. In meinem Kopf hämmerten Isabels und Felix Worte:
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