Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler
Autoren: Anett Leunig
Vom Netzwerk:
auf den Freund am anderen Ende der Leitung: „Los, spuck’s aus! Hast du ein Problem?“
    „Es geht um Sonja.“ Oh, daher wehte der Wind!
    „Habt ihr euch gestritten?“
    „Nein, anders. Wir haben ..., also gestern, wir ...“
    An dieser Stelle war mir alles klar! A ber da musste er jetzt durch, musste es mir selbst sagen. Er holte tief Luft und fing noch mal von vorne an: „Ich war gestern bei ihr, wir haben Musik gehört, sie mag auch Hardrock, und dabei Fotos angeschaut – w usstest du, dass sie Hobbyfotografin ist?“
    Nein, woher denn, ich hatte sie doch nur für eine halbe Stunde gesehen! Aber du lenkst ab, mein Lieber! Ich grinste insgeheim über dieses kleine Manöver.
    „Na ja, jedenfalls wurde es ziemlich spät und war schon dunkel, und wir waren so eng zusammen und ...“ Er holte noch einmal Luft, ich spürte förmlich, wie er versuchte, in den Hörer und direkt zu mir durchzurobben. Dann flüsterte er atemlos: „Es ist passiert, Jann, gestern Abend ist es passiert!“ Er hatte also sein erstes Mal hinter sich gebracht. Gratuliere, Kumpel, willkommen im Club! Die Tatsache, dass er meinen Vornamen benutzte, war allerdings ein offensichtliches Zeichen dafür, dass ihn diese Erfahrung ganz schön mitgenommen zu haben schien. Ob im positiven oder negativen Sinne, konnte ich noch nicht sagen. Felix, der Draufgänger! Ha! Bei Sonja nicht mehr! Statt einer Glückwunschsalve fragte ich also so einfühlsam wie möglich: „Wie war es?“
    Felix Stimme schien sich beim Flüstern zu überschlagen: „Es war Wahnsinn, Jann, verrückt! Ich war völlig hingerissen, wie benebelt, auf einem Meer aus Phantasie!“ – Solch lyrische Worte von meinem sonst so analytischen Freund? Holla! – „Sie hat mir alles gezeigt. Alles!“ Ich runzelte die Stirn: „An einem Abend?“
    „In einer Nacht, Alter. Die ganze Nacht! Ich bin erst heute morgen nach Hause gekommen, vor einer Stunde.“
    Es war jetzt kurz nach elf. Abgesehen von Aufenthalten in Sommercamps und gelegentlichen Besuchen bei mir war es das erste Mal, dass Felix die Nacht nicht zu Hause verbracht hatte.
    „Was haben deine Eltern dazu gesagt?“
    „Mein Vater meinte nur, ich wäre alt genug und müsse selbst wissen, was ich tue. Ich solle nur wenigstens Bescheid sagen, wenn ich nachts nicht heimkäme. Meine Mutter ist nervös wie eine Spitzmaus, beobachtet mich ständig. Sonja nennt das Gluckensyndrom. Sie hatte mich schon vorgewarnt.“
    Daher das Misstrauen seiner Mutter am Telefon! Mir kam das ziemlich abgebrochene Aufklärungsgespräch mit meinem Vater am letzten Heiligen Abend in den Sinn. Warum nur schienen offenbar alle Eltern solche Probleme mit der erwachenden Sexualität ihrer Kinder zu haben? Weil es der erste Schritt ins Erwachsenenleben war, lange vor dem Schulabschluss und der Berufswahl? Weil sich die Kinder damit zum ersten Mal dem direkten Einfluss der Eltern entzogen, sich die Relationen zwischen Eltern und Kindern verschoben? Aber gerade jetzt brauchten wir doch unsere Eltern, ihr Vertrauen, ihren Beistand! Nicht mehr direkt, mehr im Hintergrund, aber trotzdem so zuverlässig und stark, als würden wir noch immer hilflos auf unseren kurzen Babybeinchen herumwanken.
    Ich seufzte und zwang meine Gedanken zurück zu Felix: „Kennen sie Sonja schon?“
    Er zögerte für einen Moment, dann gab er zu: „Nein, ich, ehm, wollte das vielleicht an meinem Geburtstag machen, wenn du auch da bist.“ Das würde in einem Monat sein. Aber als was sollte ich denn da sein? Als sein Anstandswauwau? Oder sein Adjutant? Sorry, Kumpel, aber den Kampf wirst du wohl oder übel allein ausfechten müssen. Doch ich sagte erst einmal nichts dazu.
    Eine Frage brannte mir noch auf den Lippen, etwas, das Christoph mir sehr tief eingebrannt hatte: „Habt ihr euch geschützt?“ Christoph schaute überrascht auf. Klar, er hatte ja bis jetzt nicht mitbekommen, worum es genau ging. Von der anderen Seite kam es ziemlich irritiert: „Was?“
    Ich erschrak. Mensch, Felix, mach keinen Mist!
    „Hattet ihr Safer Sex?!“ Klare Worte waren bei uns immer besser als die Runde um den heißen Brei.
    „Ach ... ja, klar, ehm, sie hatte ... Kondome dabei.“ Gott sei Dank! „Und sie nimmt auch die Pille. Aber ich werde mir auch welche besorgen, Kondome, meine ich. Gleich nachher noch, weil, ehm, eigentlich ist das ja mein Part.“ Er schwieg wieder. Da kam noch etwas, das spürte ich.
    „Mann, Alter, das ist plötzlich alles so viel. Dieses Kribbeln im Bauch, diese
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher