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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler
Autoren: Anett Leunig
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weniger erstaunt; wahrscheinlich hatte sie unsere Pläne schon geahnt, denn sie stimmte Christoph sofort zu: „Das finde ich auch, zumal Jann dort gut Französisch üben könnte.“
    In Christophs Augen blitzte es gefährlich anzüglich auf, aber er riss sich sofort wieder zusammen. Mein Vater sah von einem zum anderen, zuerst zu Christoph, dann zu meiner Mutter und dann zu mir. Schließlich meinte er: „So, so, Französisch ... Kann man das dann etwa auch in München studieren?“
    Mir wurde vor Verlegenheit ganz heiß. Was meinte er jetzt damit? Seine Augen funkelten belustigt.
    Mutter schien die Situation schneller zu begreifen als ich, denn sie seufzte mit etwas peinlich-amüsiertem Blick: „Ach, Frank, lass doch die Jungs!“
    Aber Christoph stieg auf seinen Ton ein: „Klar kann Jann das, und ich gebe ihm gerne Nachhilfe.“ Christoph, oh Gott, reize ihn nicht! Mein Lover grinste kokett.
    Vater hob die Augenbrauen: „Kannst du denn Französisch?“
    „ Bien sûr Monsieur, je parle français couramment. Et Jann est un très bon élève. “ Damit legte Christoph mir siegessicher den Arm um die Schulter und blinzelte Vater treuherzig zu. Der lachte laut auf: „Wie ich sehe, hast du deine Armee ja schon komplett zusammengestellt, Junge!“ Er schüttelte den Kopf. „Gegen so eine Übermacht bin ich völlig wehrlos. Ich gebe mich geschlagen! Fahr halt mit und spanne aus. Das nächste Schuljahr wird noch hart genug werden.“
    Ich atmete langsam wieder aus. Danke!
    Mutter bedachte ihren Mann mit einem zärtlichen Blick. Dann zwinkerte sie mir zu. Eine Strähne hatte sich aus ihrem nach hinten gebundenen Haar gelöst. Sie griff danach und versuchte, sie umständlich wieder in den Zopf zu zwingen.
    Ich stand auf und trat hinter sie: „Warte mal, ich mach’ das.“
    „Nanu?“ Sie hielt still. Vorsichtig berührte ich die große Holzspange, die ihren Zopf auf dem Hinterkopf zusammenhielt. Ein Klick, und die Spange sprang auf. Voll und weich fiel ihr das braune Haar über die Schultern, seidig glänzend im morgendlichen Sonnenlicht. „Jann, was machst du? Ich kann doch das Haar nicht offen tragen wie ein Mädchen!“
    Ich fuhr mit den Fingern von unten durch ihre Mähne. „Doch, das kannst du. Es ist dein Haar, und du siehst so wunderschön damit aus, Mama. Manche Glücksträume bleiben halt immer gleich, ein Leben lang, weißt du?!“

VII
    Am späten Vormittag rief ich wie versprochen Felix an . Zuerst ging seine Mutter ran. „Ach du bist es“, rief sie, als ich mich meldete. Irgendwie hatte in ihrer Stimme zuerst Argwohn und Misstrauen geklungen; jetzt dagegen war Erleichterung und auch wieder die altbekannte Freund-lichkeit darin zu hören: „Ja, Felix ist da, warte mal kurz. Feeeliix??!! – Für dich. Es ist Jann .“ Wieso betonte sie das so ausdrücklich? Ich rief doch nicht zum ersten Mal an!
    Nach ein paar Sekunden hörte ich seine Stimme:
    „Hi, Alter, wie geht’s?“
    „Geht so.“
    Sofort war er wachsam. „Was meinst du damit?“
    „Das Bier war gut.“
    „Ehrlich? Und der Rest?"
    „Auch.“
    „Komm schon, spann mich nicht auf die Folter! Wie ist es gelaufen?“
    Ich präsentierte ihm eine Zusammenfassung meines gestrigen Gesprächs mit meinem Vater. Er schnalzte mit der Zunge. „Er hat es also wirklich geschluckt, das mit Christoph, meine ich.“ Ich nickte erst, aber dann fiel mir ein, dass er mich durch das Telefon ja nicht sehen konnte, und fügte ein kurzes „Ja“, hinzu. Noch ein Zungenschnalzer. „Und nun fährst du weg? Ist das auch schon klar? Und wohin?“
    Er war aber ganz schön neugierig. Ich erzählte ihm in aller Kürze von unserem geplanten Urlaub. Was wir dort noch vorhatten, erwähnte ich vorerst nicht; das konnte bis zu einem Gespräch unter vier Augen im September warten. Felix brummte zustimmend, dann murmelte er: „Dann geht es also morgen schon los! Schade, ich hätte dich gerne noch mal gesprochen.“
    Ich horchte auf. Da war etwas in Felix’ Stimme, das ich bisher noch nie gehört hatte. Unsicherheit? Ratlosigkeit? Zweifel? Ich presste den Hörer fester ans Ohr: „Stimmt was nicht, Kumpel?“
    Er zögerte. „Ich weiß nicht so recht, es ist .... sehr privat.“
    Also intim. Christoph kam herein. Als er mich telefonieren sah, setzte er sich leise in den Sessel gegenüber und sah mir zu. Sah mich einfach nur an mit seinen geheimnisvollen, grauen Augen. Ich hätte jetzt am liebsten die Welt vergessen wollen, konzentrierte mich aber wieder pflichtbewusst 
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