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Wolfstage (German Edition)

Wolfstage (German Edition)

Titel: Wolfstage (German Edition)
Autoren: Manuela Kuck
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Krass schob ihren Schreibtischstuhl ein Stück
zurück und beschloss spontan, amüsiert zu reagieren. »Natürlich nicht«, erwiderte
sie mit ironischem Unterton.
    Grimich musste man mit Humor nehmen, oder besser gesagt, sie musste Magdalena Grimich mit Humor nehmen. Alles andere führte zu nichts. Denn
einig waren sich die beiden Frauen nur in einem Punkt: über ihre gegenseitige
Abneigung. Grimich hielt nicht allzu viel von Johanna und ihrer Rolle als
Sonderermittlerin beim BKA Berlin, die sie ihrem
Mentor Siegfried König verdankte, und Krass war der Ansicht, dass Magdalena
Grimich ein Problem mit souverän auftretenden und selbstständig denkenden
Frauen hatte. Also mit ihr.
    »Ist er nicht einer unserer verdeckten Ermittler?«, mutmaßte Johanna
und wies mit knapper Geste auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. »Bitte –
nehmen Sie doch Platz.«
    Sie meinte, sich an einen jungen, häufig mürrisch und maulfaul auftretenden
Typen zu erinnern, der meist in Lederklamotten durch die Gegend lief.
Mittelgroß, stämmig, Motorradfahrer.
    »Genau«, nickte Grimich und winkte dann beiläufig ab. »Ich stehe
lieber.« Das Danke verschluckte sie ansatzlos. »Er ist seit einigen Monaten im OK -Bereich unterwegs und hat kürzlich in Hamburg und
Niedersachsen wichtige Kontakte geknüpft. Einzelheiten wissen wir jedoch nicht.
Leider. Wiebor kam nicht mehr dazu, Bericht zu erstatten.«
    Johanna schlug ein Bein über das andere und hielt kurz den Atem an.
    »Er hatte vor einigen Tagen einen schweren Unfall und liegt im
Koma«, fuhr Grimich nach kurzer Pause fort. »Er ist zurzeit noch nicht einmal
transportfähig.«
    Johanna runzelte die Stirn. »Fremdverschulden?«
    »Auf den ersten Blick nicht, aber es gibt wohl die eine oder andere
Ungereimtheit, und ich halte es für eine gute Idee, wenn wir da noch mal
genauer hingucken.«
    »Wir« heißt wohl: ich, dachte Johanna.
    »Natürlich muss das möglichst unauffällig geschehen, um Wiebors
Einsatz nicht zu gefährden.«
    »Verstehe. Wo ist der Unfall passiert?«
    Grimich lächelte unvermutet. »Sie kennen die Gegend. Ganz in der
Nähe von Wolfsburg, genauer: zwischen Königslutter und Wolfsburg. Lennart liegt
im Stadtkrankenhaus.«
    Nicht schon wieder, dachte Johanna. Sie war in Braunschweig und
Wolfsburg aufgewachsen. Keine unbeschwerte Kindheit und Jugend, würde sie
sagen, hätte man sie gefragt. Sie war kein Fan der VW -Stadt.
Trotzdem hatte sie sich gefreut, als Wolfsburg im letzten Jahr Fußballmeister
geworden war. Vor knapp zwei Jahren hatte der Tod einer Schülerin ihren
dortigen Einsatz erfordert. Sie erinnerte sich besser, als ihr lieb war. Karen
Milbert, das tote Mädchen auf den Gleisen, eine Mädchengang, die Angst und
Schrecken verbreitet und sogar den Suizid einer Fünfzehnjährigen provoziert hatte.
    Johanna Krass räusperte sich. Sie hatte den Fall aufgeklärt, und
selbst Grimich war zufrieden gewesen. Er hatte Spuren hinterlassen – wie
die meisten grausamen Verbrechen. Ein weiterer tiefer Kratzer auf ihrer Seele.
Irgendwann würde sie vollkommen vernarbt sein. Berufsrisiko.
    Grimich legte eine Hand auf die Klinke. »Eine neue Staatsanwältin in
Braunschweig ist über Wiebors Einsatz im Bilde. Sie wird gleich anrufen und das
weitere Prozedere mit Ihnen absprechen. Unter Umständen hängt sein Unfall mit
dem Verschwinden einer jungen Frau in Königslutter zusammen. Das hieße: Sie
bekämen richtig was zu tun.«
    Die Beamtin lächelte kühl. Johanna Krass lächelte zurück. Sie konnte
sich gut vorstellen, was Grimich gerade durch den Kopf schoss.
    »Ich erwarte unaufgefordert Ihre Berichte.«
    Johanna nickte wortlos.
    Annegret Kuhls Stimme klang jung, voller Tatendrang und
Idealismus. Johanna seufzte unterdrückt, als sie keine Viertelstunde später mit
der Staatsanwältin in Braunschweig verbunden war, ohne genauer darüber
nachdenken zu wollen, warum. Sie trank einen Schluck von ihrem pechschwarzen
Kaffee und legte den Notizblock bereit.
    »Ich freue mich, dass wir uns in Kürze persönlich kennenlernen«,
sagte Annegret Kuhl herzlich. »Reitmeyer hat Sie wärmstens empfohlen.«
    »Ach?« Markus Reitmeyer hatte Johanna im Fall Karen Milbert
unterstützt.
    »Ja, er hat eine sehr hohe Meinung von Ihrem Spürsinn.«
    Johanna war es nicht gewohnt, Komplimente entgegenzunehmen, und
schwieg einen Augenblick verwirrt.
    »Nun … Hm … Meine Chefin erläuterte mir gerade, dass
Wiebors Unfall genauer überprüft werden muss. Darüber hinaus sprach sie von
einer
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