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Wolfstage (German Edition)

Wolfstage (German Edition)

Titel: Wolfstage (German Edition)
Autoren: Manuela Kuck
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rauchen wollte. Eher hatte er es wohl mit irgendwelchen Naturfreaks
zu tun oder mit einer Sportgruppe, die das Häuschen als Rastplatz nutzte.
    Robin stellte verwundert und zugleich erleichtert fest, dass die
Männer nichts anderes im Sinn hatten, als herumzusitzen, am Lagerfeuer
Würstchen zu grillen, laute Reden zu schwingen, als gehöre ihnen die Welt und
dieses alte Haus sowieso, und manchmal mit Pfeilen auf eine Zielscheibe zu
schießen, die sie hinterm Haus aufhängten. Später errichteten sie ihren
Schießstand im Schuppen. Ihr Auftreten hatte alles in allem durchaus
Ähnlichkeit mit den Ritualen einer Pfadfindergruppe – nur dass das Alter
nicht stimmte. Jede Wette, dass sie aus allen Wolken fallen würden, wenn sie
von Robins Anwesenheit wüssten, und er beglückwünschte sich zu seiner
Entscheidung, das Feld nicht ohne Weiteres zu räumen.
    Die Typen tauchten höchstens alle paar Tage auf, manchmal einige
Wochen gar nicht, sie kletterten nie auf den Dachboden – wahrscheinlich
wussten sie nicht einmal, dass es ihn gab –, und selbst wenn sie sich
genauer umsehen würden: Robin ließ grundsätzlich nichts herumliegen, auch sein
Rad nicht, und sein Drogenversteck war perfekt: ein ausgehöhlter Dachbalken
enthielt Beutel voller Plastiktütchen mit Koks, Cannabis und Ecstasy.
Seinetwegen hätte diese friedliche Koexistenz auf unbestimmte Zeit so
weiterlaufen können. Dass es nicht so blieb, lag schlicht und ergreifend daran,
dass er die Situation auf fatale Weise falsch eingeschätzt hatte.
    Er war einige Tage in der Tschechischen Republik gewesen und guter
Dinge, als er am Sonntagabend am Häuschen ankam und feststellte, dass er es für
sich allein hatte. Die Pfadfinder – so nannte er die Gruppe bei sich –
waren schon da gewesen, wie er aus der noch warmen Asche des Lagerfeuers
schloss. Robin erklomm wie immer die wacklige Leiter, die er im Flur hinter
einem Haufen alter Kartons und Müll versteckt hatte, und hievte sich und sein
Rad über die Dachluke nach oben, wo er zunächst seine Schätze sorgsam
verschnürte und deponierte. Die Luke ließ er offen, weil er keinen Besuch mehr
erwartete. Er pfiff und drehte sich einen Joint.
    Das Geräusch, das plötzlich von unten zu ihm hochdrang, hätte alles
Mögliche sein können – ein schreiender Vogel, zwei streitende
Eichhörnchen, das Kratzen eines Dachses in seinem Bau –, und normalerweise
scherte Robin sich um derlei erst gar nicht. Was ihn stutzig werden ließ, waren
Nähe und Stetigkeit des Geräuschs. Schließlich kletterte er wieder nach unten
und blieb lauschend im Flur stehen.
    Die Verbindungstür zum Schuppen war zugezogen. Das war neu. Warum
hatten sie die Tür geschlossen? Ahnten sie doch, dass sie nicht die einzigen
Besucher waren? Wieder das Geräusch. Robin schlich näher an die Tür heran. Es
wurde lauter. Eine Art Schaben, vielleicht auch Stöhnen oder auch beides. Ein
Tier, dachte er. Es hat sich verlaufen und kann nicht raus. Na und? Was geht
mich das an? Es wird die ganze Nacht Theater machen und mich nicht schlafen
lassen. Seit wann stören mich solche Geräusche? Ich pfeife mir was ein, und
schon kann ich wunderbar abschalten. Und wenn ich nur wissen will, was hier los
ist?
    Robin atmete tief ein und legte die Hand auf die altersschwache
Klinke. Sie knarzte, als er sie niederdrückte. Das andere Geräusch verstummte.
Er schob die Tür auf. Es war dunkel und roch noch muffiger als im Haus. Robin
nestelte sein Feuerzeug aus der Gesäßtasche und schnippte es an. Im Schein der
kleinen Flamme sah es aus wie beim letzten Mal, als er sich hier umgesehen
hatte: dreckig und schummrig. Sein Atem füllte sich mit dem Aroma von Schimmel,
feuchtem Holz und Erde. Am rechten Ende des Raumes stand die Zielscheibe, am
linken war die Schiebetür zu einem Abstellraum halb geöffnet.
    Robin ging ein paar Schritte näher. Hier hatten sie Pfeile und Bögen
untergebracht. Er entdeckte eine Kerze und zündete sie an. Sie schossen nicht
nur mit Pfeil und Bogen: Robin nickte anerkennend, als er die Armbrüste
entdeckte. Er wandte sich wieder um und ließ seinen Blick durch den Raum
schweifen. Es hatte sich doch etwas verändert. Jemand hatte die alten Bänke und
Tische an die Wandseite geschoben, sodass die Mitte des Raumes frei blieb. Na
klar, dachte Robin. Das ist schließlich die Schussbahn. Ein lautes Knacken ließ
ihn zusammenfahren.
    Hinter der Zielscheibe befand sich eine Abtrennung aus Spanplatten –
damit die Pfeile abgefangen werden, die
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