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Wolfsmagie (German Edition)

Wolfsmagie (German Edition)

Titel: Wolfsmagie (German Edition)
Autoren: Lori Handeland
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die Handflächen an seiner Hose. »Mein Blut war schon immer ein wenig dünn. Es freut mich, Sie kennenzulernen.« Alan Mac gestikulierte zur Treppe. »Wenn Sie jetzt die Freundlichkeit hätten, den Turm zu verlassen.«
    »Natürlich.« Kris stieg die Treppe hinab, dankbar für die Taschenlampe des Polizisten, die den Weg beleuchtete.
    Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, bestand er darauf, sie zurück zu ihrem Cottage zu begleiten. Er ließ keinen Einwand gelten.
    Unterm Gehen zermarterte Kris sich das Gehirn nach irgendeiner Frage, die sie stellen konnte, um die gespenstische Stille zu unterbrechen. »Hat der Wachmann oft mit nächtlichen Besuchern zu kämpfen?«
    »Ach, nein. Wer verirrt sich im Dunkeln schon hierher?«
    »Aber …« Kris schielte zum Wasser. »Der Loch Ness. Das …« Es fiel ihr schwer, das alberne Wort auszusprechen, aber sie schaffte es. »Ungeheuer.«
    »Nessie?« Er schüttelte den Kopf. »Niemand hat sie je bei Nacht gesehen.«
    Kris rekapitulierte, was sie darüber gelesen hatte. Es stimmte, dass sich die meisten Sichtungen am Tag ereigneten, und das machte durchaus Sinn. Mittags war das Licht am hellsten, es wurde vom trüben Wasser des Sees reflektiert und erzeugte Trugbilder. Außerdem war es die Zeit, zu der die meisten Leute unterwegs waren. Je mehr Menschen sich in der Gegend aufhielten, desto mehr Ammenmärchen würden erzählt. Trotzdem …
    »Ich weiß, dass es Sichtungen bei Nacht gegeben hat«, widersprach sie.
    »Gewiss. Schauen Sie sich doch nur um.« Alan Mac wies mit seiner gewaltigen Pranke auf die plätschernden Wellen. »Würden Sie nicht auch Dinge sehen, wenn Sie dort draußen in der Finsternis wären?«
    Kris’ Augen wurden schmal. »Ich habe diesen Mann wirklich gesehen.«
    »Das bestreite ich ja gar nicht«, entgegnete er ruhig.
    Kris beschloss, das Mysterium um den Mann, den sie auf der Burg geküsst hatte, auf sich beruhen zu lassen. Sie hatte ihn gesehen, Alan Mac nicht. Ende der Geschichte.
    Für den Moment.
    »Warten Sie.« Kris blieb stehen, und der Beamte tat es ihr nach. »1999 wurde Nessie das erste Mal seit 1963 an Land gesehen. Und zwar nachts!«, verkündete sie mit einem triumphalen Stups in Richtung seiner breiten Brust.
    Er schwenkte den Strahl der Taschenlampe von der Straße auf eine Stelle knapp oberhalb ihres Bauchnabels und musterte sie nachdenklich in dem diffusen gelben Lichtkegel. »Sie scheinen eine Menge über das Ungeheuer zu wissen.«
    Upps .
    »Ich … äh …«
    Ihr fehlte die Übung. Bestimmt wurde das Lügen einfacher, je häufiger man log. Was erklären würde, warum die besten Lügner meist auch die dreistesten waren.
    Bei ihrer Rückkehr aus Schottland wäre sie vielleicht auch in der Lage, einem Kind ins Gesicht zu sehen und zu sagen: Ich werde dich niemals verlassen, Schätzchen. Fest versprochen.
    Kris krümmte sich innerlich, als die letzten Worte, die ihre Mutter je gesprochen hatte, durch ihren Kopf wisperten.
    »Sind Sie ein Nessie-Jäger?«
    »Nein!«, sagte sie viel zu laut. »Ich meine, ich jage nicht. Und wie könnte ich etwas jagen, das nicht …« Sie bremste sich noch rechtzeitig, bevor ihr die Wahrheit herausrutschen konnte.
    Man kann nichts jagen, was nicht da ist.
    »Ich bin hier, um zu …« Warum um alles in der Welt war sie hier?
    »Oh, warten Sie.« Sein verwirrtes – oder war es ein argwöhnisches? – Stirnrunzeln glättete sich. »Sie sind diese Schreiberin. Mir fällt ein, dass Effy von Ihnen gesprochen hat. Wollen Sie über Nessie schreiben?«
    Kris hatte nicht gesagt, worüber sie schreiben wollte, aber dieses Thema war genauso gut wie jedes andere, gleichzeitig würde es erklären, warum sie so verdammt viel wusste.
    »Selbstverständlich.«
    »Ein Kinderbuch?«
    Warum nur dachte jeder, dass sie an einem Kinderbuch arbeitete?
    »Ja.«
    Er nickte weise. »Ich habe gehört, dass ihr Schriftsteller nicht gern über eure Arbeit redet. Um keinen Fluch auf euch zu ziehen.«
    »Genau.« Kris griff die angebotene Erklärung dankbar auf, auch wenn sie an Flüche ebenso wenig glaubte wie an die Märchen, in denen man sie fand. »Und das möchte ich auf keinen Fall riskieren.«
    Sie setzten sich wieder in Bewegung. Die Lampe, die sie im Inneren des Cottages hatte brennen lassen, hob sich wie ein strahlend heller Blitz gegen die dunkle Nacht ab. Hinter dem Haus ragten die Berge, von denen Kris wusste, dass sie im Sonnenschein saphirgrün leuchteten, wie die großen, schwarzen Buckel eines mythischen
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