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Wolfsmagie (German Edition)

Wolfsmagie (German Edition)

Titel: Wolfsmagie (German Edition)
Autoren: Lori Handeland
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einen großen, vielzahnigen, prähistorischen Fisch handelte, würde der Seeungeheuer-Theorie ebenfalls den Garaus machen.
    Mit dem Vorsatz, ins Cottage zurückzukehren, auszupacken, zu duschen, bis kein warmes Wasser mehr kam, und anschließend ins Bett zu schlüpfen, um den Jetlag wegzuschlafen, trat Kris aus dem Wäldchen. Sie kämpfte sich den Weg hinauf bis zur Straße, dann bog sie in Richtung ihres Cottages ab.
    Und da sah sie die Burg.
    Ungeachtet des schwindenden Lichts zückte Kris die Kamera. Die gotischen, an Jane Eyre erinnernden, am Rand eines Steilhangs thronenden Ruinen waren zu gespenstisch, als dass sie hätte widerstehen können. Sie konnte sich bildlich vorstellen, wie man dem Irrsinn verfallene Ehefrauen in diesen Turm gesperrt hatte. Als er noch über ausreichend Wände verfügte, um sie darin festzuhalten, ohne dass sie Gefahr liefen herauszupurzeln.
    Ein Schemen flimmerte am Rand von Kris’ Sucher, und aus einem Reflex heraus zoomte sie näher heran …
    Bis sie einen Mann erkannte, der zwischen den Ruinen von Urquhart Castle umherschlich, und dessen feucht glänzendes Haar den letzten Rest Tageslicht einfing.

2
    Irgendjemand folgte ihm, und das nicht sehr geschickt.
    Liam Grant bewegte sich zielstrebig auf den Turm zu, den höchsten Aussichtspunkt von Urquhart Castle. Von dort aus konnte er sämtliche Ruinen sowie einen Abschnitt der Straße als auch einen guten Teil des Sees überblicken. Nachdem er seine freie Zeit meist damit zubrachte, auf den Loch Ness zu starren, war er mit dem Areal bestens vertraut.
    Insofern fiel es ihm nicht schwer, die kurvige Blondine zu observieren, die sich an seine Fersen geheftet hatte.
    Sie hatte eine Videokamera dabei, also war sie vermutlich eine Touristin. Liam fragte sich, warum sie immer noch hier herumlungerte, nachdem alle anderen Besucher längst gegangen waren.
    Er beobachtete sie weiter, wie sie sich von einem Stein zum nächsten tastete und einmal sogar über ein Stück Mauer stolperte, das beim letzten Sturm heruntergebrochen war. Zu dieser Jahreszeit gab es häufig Stürme. Die Frau kämpfte mit dem Gleichgewicht, dabei veranstaltete sie mehr Radau als eine ganze Busladung über Kieselsteine tollender Schulkinder.
    Liam erwartete, dass sie sich ein wenig in den Ruinen umsehen und verschwinden würde, sobald die Nacht ganz hereinbrach, als sie plötzlich nach oben sah und ihre Blicke sich trafen.
    Ihr Gesicht war ein helles, von prächtigen Locken umrahmtes Oval. Liam hatte keine goldenen Locken mehr gesehen, seit …
    Er sprang mit einem Satz von der Brüstung weg. Er hatte schon seit einer Ewigkeit nicht mehr an sie gedacht.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind!«
    Dem Befehl der Frau folgte augenblicklich das Dröhnen von Schritten, als sie die Stufen hinaufeilte.
    »Als hätte ich eine Wahl«, brummte er, verärgert über sich selbst. »Es sei denn, ich flöge auf hauchzarten Schwingen davon oder würde vom Nebel verschluckt wie einer vom Kleinen Volk.«
    Wie oft schon hatte er sich das gewünscht?
    Liam drehte sich um, als die Frau das Turmzimmer betrat. Er lehnte sich gegen den kühlen Stein und ließ sie nicht aus den Augen.
    Die Abenddämmerung war seine Lieblingszeit, die Stunde, in der die Nacht begann und das Morgengrauen noch in weiter Ferne lag. Das Zwielicht machte es schwierig, irgendetwas zu erkennen. Zumindest für sie.
    Die Frau ließ den Blick durch den engen Raum schweifen, dabei glitt er immer wieder über Liam hinweg. Allem Anschein nach hatte er seine Fähigkeit, mit den Schatten eins zu werden, nicht verloren.
    So, wie sie sich immer wieder nervös nach allen Seiten umsah, musste sie ihn wohl für ein Phantom halten. Es wäre nicht das erste Mal.
    Doch sie flüchtete nicht; sie rief auch nicht nach ihm. Stattdessen starrte sie mit zusammengekniffenen Augen zu der Stelle, wo er sie zuvor beobachtet hatte und an der er noch immer reglos verharrte.
    Liam verhielt sich mucksmäuschenstill, während er sich ausmalte, wie sie reagieren würde, wenn sie ihn entdeckte, und was sie täte, wenn nicht.
    Darum war er nicht vorbereitet, als sie ihre Kamera plötzlich weglegte und auf ihn zurannte – in vollem Karacho! Wie ein Torpedo! Typisch Amerikanerin! Fast wäre sie mit ihm zusammengeprallt, als er einen Schritt von der Wand wegtrat.
    »Sie sind …« Die Frau hob das Kinn, und die Wärme ihres Atems in der Kälte der Nacht sandte einen Dunsthauch über Liams Gesicht. Sie roch nach Zuckerwatte und Kirschen. Er wollte sich vorbeugen und
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