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Wolfsmagie (German Edition)

Wolfsmagie (German Edition)

Titel: Wolfsmagie (German Edition)
Autoren: Lori Handeland
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Drumnadrochit?«
    »Sie glaum also nich, dass ich von hier bin?«, fragte Jamaica in perfekter schottischer Mundart.
    Kris hob verblüfft die Brauen, was mit einem Lachen quittiert wurde.
    »Ich habe dieses Café vor etwa fünf Jahren eröffnet.«
    »Haben Sie Nessie je gesehen?«
    »Selbstverständlich.«
    »Echt?«
    »Sie glauben, ich lüge?«
    Kris glaubte, dass jeder log; so war sie nun mal veranlagt. »Immerhin geben Sie selbst zu, dass Nessie Ihr Geschäft ist.«
    »Mmm«, murmelte Jamaica, in typisch schottischer Manier.
    Wie lange musste sie schon hier leben, um sich das Talent angeeignet zu haben, auf eine Weise zu murmeln, die alles und nichts sagte? Vielleicht ging es Hand in Hand mit der Fähigkeit, Dialekt zu sprechen.
    »Sie haben recht. Nessie ist sehr lukrativ.« Jamaica schaute durch das Fenster zum See. »Aber ich habesie wirklich gesehen.«
    »Wann? Wo?«
    »Am Tag meiner Ankunft bin ich die A 82 entlanggefahren. Die Sonne schien so hell wie heute. Ich habe bemerkt, dass sich im Loch Ness etwas bewegte, und als ich den Kopf umwandte, war sie da. Unübersehbar wie die Sonne schwamm sie parallel zur Straße neben mir her.«
    Kris öffnete den Mund, aber es kam nichts heraus. Was konnte sie schon sagen? Das Wort, das ihr im Kopf herumging – Schwachsinn –, schien nicht wirklich angemessen zu sein.
    »Sie hat mich in meinem neuen Leben willkommen geheißen. Dank ihr bin ich in Drumnadrochit gestrandet.«
    »Haben Sie sie je wiedergesehen?«
    Jamaica schüttelte so vehement den Kopf, dass ihre Rastalocken flogen. »Aber das muss ich nicht. Ich weiß, dass sie da ist.«
    »Mmm«, brummte Kris, ohne auch nur ansatzweise schottisch zu klingen.
    »Sie glauben nicht an sie?« Jamaica trank einen Schluck Wasser, dabei hielt sie ihren forschenden Blick auf Kris fixiert.
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Das brauchen Sie auch nicht.«
    »Ich habe gestern Abend einen Mann kennengelernt«, platzte Kris heraus.
    Jamaicas perfekt geschwungene Brauen glitten ein Stück höher. »So schnell? Schön für Sie. Wie heißt er?«
    »Ich hatte gehofft, dass Sie mir das sagen können. Er ist verschwunden, bevor ich ihn fragen konnte.«
    »Verschwunden? Sie sind sicher, dass er überhaupt da war?«
    Kris seufzte. Von solchen Fragen bekam sie Kopfschmerzen.
    »Hundertprozentig.« Mit kurzen Worten beschrieb sie den mysteriösen Mann und schloss mit: »Seine Haare waren nass. Kennen Sie jemanden, der gern im See schwimmt?«
    Jamaica zog die Nase kraus. »Den Experten zufolge ist der Loch Ness zu kalt, um ein Ungeheuer zu beherbergen. Damit ist er eindeutig zu kalt, um darin zu schwimmen.«
    »Ein Ungeheuer ist per definitionem etwas, über das niemand wirklich Bescheid weiß. Woher wollen die Experten also wissen, dass das Wasser zu kalt ist für ein Ungeheuer?«
    »Experten quatschen viel«, sagte Jamaica. »Und zwar meistens Blech.«
    Kris lachte. Die Frau wurde ihr mit jeder Minute sympathischer.
    »Ich denke, in diesem Fall beziehen sie sich auf das Plesiosaurier-Prinzip. Schon mal davon gehört?«
    »Sir Schießmichtot hat die Theorie aufgestellt, dass es sich bei dem Ungeheuer von Loch Ness um einen Plesiosaurier handelt – ein langhalsiges Reptil, das während der Ära der Dinosaurier in warmen Inlandseen umherschwamm.«
    »Aber bei Nessie müsste es sich dann um eine ganze Herde von Plesiosauriern handeln. Denn selbst wenn sie nicht ausgestorben wären, macht sie das nicht unsterblich.«
    »Exakt«, stimmte Kris ihr zu. »Gestalt und Größe des Ungetüms, das die Menschen gesehen haben wollen, passen in etwa zu einem Plesiosaurier, zumindest behauptet das dieser Typ.«
    »Sir Peter Scott«, sagte Jamaica. »Ein britischer Naturforscher. Sehr berühmt. Aber ein Plesiosaurier war ein Reptil und damit ein Kaltblüter. Was bedeutet, dass er in dem eisigen Wasser des Loch Ness nicht überleben könnte.«
    »So viel zu dieser Theorie. Wie kalt ist das Wasser eigentlich?«
    »Die Durchschnittstemperatur liegt bei sechs Grad Celsius.«
    »Auf Englisch, bitte.«
    »Das ist Englisch.« Jamaica schüttelte den Kopf. »Sechs Grad Celsius entsprechen … hm.« Sie schürzte die Lippen. »Circa zweiundvierzig Grad Fahrenheit. Und wissen Sie, die Kälte mal außer Acht gelassen … Man kann nur eineinhalb Meter in die Tiefe sehen, was bedeutet, dass man über einem gähnenden schwarzen Schlund schwimmt.«
    »Er ist also nicht nur kalt, sondern auch unheimlich.«
    Jamaica hob ihre fast leere Wasserflasche und prostete ihr zu.
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