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Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Titel: Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen
Autoren: Elli H. Radinger
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mich ihnen nah, seelenverwandt.
    Die Tage und Nächte in der Einsamkeit, die intensive Verbundenheit mit der Natur, die Begegnungen mit den Tieren – das ließ mich nicht mehr los. Ich wollte mehr erfahren über die Lebensweise der Kojoten und ihrer großen Verwandten, der Wölfe. Denn Wölfe hatten mich schon als Kind fasziniert. Ich war mit einem Schäferhund großgeworden, dem Tier, das äußerlich dem Wolf am nächsten ist. Statt mit anderen Kindern hatte ich nur mit ihm gespielt. Meine Eltern fanden mich |18| oft in seiner Hütte, wo ich, eng an ihn gekuschelt, schlief. Er gab mir Sicherheit. Wie alle Kinder las auch ich »Rotkäppchen«. Aber mein Mitgefühl galt stets dem armen Wolf mit den schweren Wackersteinen im Bauch.
    Jetzt, in meiner neuen Unabhängigkeit, hatte ich endlich die Chance, mich intensiver mit diesen Tieren zu beschäftigen. Ich verschlang jedes Buch über sie, dessen ich habhaft werden konnte. Und ich suchte eine Gelegenheit, sie näher kennenzulernen.
    Aus amerikanischen Wissenschaftszeitungen schrieb ich die Anschriften von Zoos und Wolfsgehegen heraus, in der Hoffnung, dort ein Praktikum in Verhaltensforschung machen zu dürfen.
    Dann – eines Tages – bekam ich endlich Antwort. Der renommierte Wolfsforscher Dr. Erich Klinghammer antwortete mir aus seinem Forschungsinstitut »Wolf Park« in Indiana. Und es wurde noch besser: Klinghammer war auf dem Weg nach Kassel, wo seine deutsche Mutter lebte, und wollte mich kennenlernen. Wir vereinbarten ein Treffen im Restaurant des Hauptbahnhofs.
    Meine erste Begegnung mit dem »Wolfsmann« beeindruckte mich tief.
    »Sie werden mich schon erkennen«, hatte er am Telefon gesagt, als ich fragte, wie und wo wir uns treffen wollten. Und tatsächlich war er nicht zu übersehen. Da kam ein stattlicher Mann mit grauen Locken und grauem Bart auf mich zu. Auf seinem Sweatshirt heulte ein Wolf.
    Stundenlang saßen wir im Bahnhofsrestaurant zwischen an- und abreisenden Zuggästen und unterhielten uns. Die Eile der Menschen um mich herum gar nicht wahrnehmend, tauchte ich ein in eine andere Welt. Fasziniert hörte ich diesem imposanten Wissenschaftler zu. Stellte Fragen und bekam Antworten. In Gedanken sah ich mich schon in seinem Wolf Park.
    »Stopp!«, sagte er und holte mich wieder zurück an den abgenutzten Tisch, auf dem die Becher mit dem kalt gewordenen Kaffee standen.
    |19| »Die Entscheidung, ob du einen Praktikumsplatz in Wolf Park bekommen wirst, treffe leider nicht ich«, lächelte er rätselhaft.
    In meinem Kopf türmten sich unendliche bürokratische Hürden auf.
    »Wie soll ich am besten vorgehen? An wen muss ich mich zuerst wenden?«, fragte ich verunsichert.
    »Wende dich an die Wölfe.
Sie
müssen dich akzeptieren.«
    Ich starrte den Forscher ungläubig an. Dann verstand ich: Auf zum »Wolf Casting« nach Indiana.
     
    Wir standen uns gegenüber – der Wolf und ich. Lange hatte ich auf diesen Augenblick gewartet. Ich war gut vorbereitet, wusste genau, wie ich mich verhalten musste: Beide Füße fest auf dem Boden.
    »Fester Stand ist wichtig. Nur ja nicht umwerfen lassen und niemals direkt in seine Augen starren«, hatte mir Klinghammer eingeschärft.
    »Kein Make-up! Kein Schmuck! Die Wölfe spielen gern mit etwas, das herumbaumelt. Sie lieben es auch, sich in allem zu wälzen, was riecht, wie Make-up oder Parfüm.«
    »Bist du gesund?«, lautete seine nächste Frage im Wie-begegne-ich-einem-Wolf-Quiz. »Wölfe sind absolute Meister darin, Schwächen zu entdecken. So können sie in der Wildnis kranke Tiere ausfindig machen und erlegen. Sie merken, wenn du krank wirst, lange bevor du es selbst spürst.«
     
    Der Leitwolf sah mich mit gelbbraunen Augen an. Die Ohren aufmerksam nach vorn gerichtet, nahm er schnuppernd meine Witterung auf. Während ich starr stehen blieb, trabte das Raubtier mit leicht federndem Gang los. Sein Körper spannte sich zum Sprung. Er flog direkt auf mich zu. Die handtellergroßen Pfoten landeten auf meinen Schultern, seine weißen Reißzähne waren nur Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Ich hielt den Atem an – dann leckte er mir mit seiner rauen Zunge mehrmals über das ganze Gesicht. Ich wurde von einem Wolf geküsst!
    |20| »Wölfe lieben es, an Stellen gekrault zu werden, an die sie selbst nicht herankommen«, erinnerte ich mich an Erichs Ratschlag und kraulte dem Wolf Brust, Bauch und Ohren. Sein Kopf mit den halb geschlossenen Augen drückte sich immer fester in meine Hand. Wäre er eine Katze,
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