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Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Titel: Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen
Autoren: Elli H. Radinger
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nicht.
    »Du musst härter werden«, rieten sie mir.
    Ja, um eine gute Anwältin zu werden, hätte ich härter werden müssen. Doch wie sollte ich das anstellen?
    Vor jeder Gerichtsverhandlung bekam ich Magenschmerzen und musste mich übergeben. Ich wurde immer verzweifelter. Wo war mein ursprünglicher Traum, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen, geblieben? Die Erfahrung lehrte mich nun, dass nicht die »Guten« gewannen, sondern jene, die die miesesten Tricks kannten. So konnte und wollte ich nicht für den Rest meines Lebens weitermachen.
    Als dann eines Tages der Mann einer Mandantin aus Wut über den verlorenen Scheidungsprozess einen Fernseher durch das geschlossene Fenster in mein Büro warf, reichte es mir. Das war’s! Egal, was kommen würde, nichts könnte so schlimm sein wie das.
    Genau an diesem Tag traf der Brief mit meinem Scheidungsurteil ein.
    Schon seit einem Jahr lebte ich von meinem Mann getrennt. Unsere Ehe war nicht mehr zu retten gewesen. Ich war aus |16| der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und hatte mir eine eigene Bleibe gesucht, die ich mit gebrauchten und geschenkten Möbeln einrichtete. Zwei Räume meiner kleinen Mietwohnung funktionierte ich zur Anwaltskanzlei um: ein Büro und ein kleines Wartezimmer. An der Haustür prangte ein Messingschild: Elli H. Radinger, Rechtsanwältin, Sprechzeiten nach Vereinbarung.
    Der Kontakt zu meinem Mann beschränkte sich auf das Nötigste. Wir hatten uns auf eine einvernehmliche Scheidung geeinigt, einen gemeinsamen Anwalt genommen und im Vorfeld alles geregelt. So war die Scheidungsverhandlung nur eine Formsache.
    Jetzt hielt ich den Beweis in den Händen und war frei. Mein Blick fiel auf einen Spruch, der über meinem Schreibtisch hing: Der Preis der Freiheit ist der Verzicht auf die Bequemlichkeit. War das das Omen, auf das ich gewartet hatte?
    Innerhalb von vier Wochen gab ich alles auf, was mein bisheriges Leben ausgemacht hatte, zum völligen Unverständnis meiner Familie und Freunde.
    »Bist du wahnsinnig? Wovon willst du denn leben? Du könntest doch als Anwältin Erfolg haben und viel Geld verdienen.«
    Ich antwortete nicht. Was sollte ich auch sagen? Sie hatten ja recht. Aber es kümmerte mich nicht mehr. Ich hatte alle Brücken abgebrochen und wollte nicht mehr in mein altes Leben zurück. Stattdessen kehrte ich zurück in den Schoß meiner elterlichen Familie. In ihrem kleinen Einfamilienhaus stand eine Einliegerwohnung leer. Die zwei Zimmer richtete ich mir mit den wenigen Möbeln ein, die ich aus der Mietwohnung mitgenommen hatte. Ich strich sie bunt an, hängte ein paar Poster auf und freute mich an meiner kleinen »Künstlerwohnung«. Mein ehemaliger Arbeitgeber bei der Lufthansa nahm mich sofort auf und gab mir meinen alten Job als Stewardess wieder.
    In der Sommersaison arbeitete ich durchgehend und nutzte die Freitickets, um in der restlichen Zeit des Jahres auf eigene Faust durch Nordamerika zu reisen. Ich mietete einen kleinen |17| Camper und erkundete Amerika und Kanada, blieb, wo es mir gefiel, und schrieb Artikel für deutsche Reisemagazine.
    Besonders angetan hatten es mir die einsamen Gegenden Nordamerikas. Wochenlang hielt ich mich in den abgelegensten Gebieten von Arizona, Alaska und den Rocky Mountains auf. Das war meine Welt, in der ich mich zu Hause fühlte.
    Bei einer dieser Reisen in den Südwesten der USA traf ich auch meine ersten »wilden Hunde« – Kojoten. Wenn ich mit dem Camper in den einsamen Wüstengebieten übernachtete, konnte ich sicher sein, sie als vierbeinige Begleiter in meiner Nähe zu haben. Nachts sangen sie mich mit ihrem melodischen Heulen in den Schlaf. Für mich war das die schönste Nachtmusik.
    Kojoten haben schon immer eine führende Rolle in den Sagen und Märchen der Indianer gespielt. Die Wüstenstämme nennen sie »Gotteshunde«, »Trickster« oder »Präriewölfe« und schreiben ihnen übernatürliche Fähigkeiten zu. Ich bewunderte besonders ihre unglaubliche Kunst, sich jeder Situation anzupassen und das Beste daraus zu machen.
    Ich beobachtete sie oft stundenlang. Manchmal tauchten sie wie Geister auf und liefen an mir vorbei, mit der Nase einer Spur folgend. Sie schienen mich absichtlich zu ignorieren. Aber ab und zu schaute mich einer der kleinen Gesellen direkt an. Ich spürte seinen Blick, noch bevor ich zu ihm hinsah. Sie störten sich nicht an mir, sondern schienen mir sogar zu vertrauen und zu erlauben, an ihrem Leben teilzunehmen. Das berührte mich sehr. Irgendwie fühlte ich
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