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Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Titel: Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen
Autoren: Elli H. Radinger
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eine achtlos weggeworfene Wolldecke. Erloschene Augen. Der Wolf war über den Stacheldraht eines Weidezauns geworfen worden. Erschossen. Ein Mahnmal des Viehzüchters. Seht her, so geht es euch, wenn ihr euch auf mein Land wagt. Montanas Antwort auf die Rückkehr der Wölfe.
    Ich streichelte zart die große Pfote. Meine erste Begegnung mit einem wilden Wolf hinterließ eine tiefe Traurigkeit und viele Fragen. Warum? Warum nur so viel Hass?
    Noch in der Nacht hatte ich von einem Wolf geträumt. Ich lag im Schlafsack im Auto. Viele Stunden war ich durch die weiten Prärien von Wyoming und Montana gefahren. Als es dunkel wurde, parkte ich meinen Wagen am Rand einer einsamen Landstraße. Das Heulen der Kojoten begleitete mich in den Schlaf. Der Wolf in meinem Traum trabte auf leichten Pfoten durch das Land seiner Väter. Er sah mich lange an. Tief beglückt wachte ich am nächsten Morgen auf. Stille. Sonne. Gabelböcke zogen durch gelbes Weidegras. Dann fiel mein Blick auf den Zaun und den Wolf.
    Meine schöne heile Welt war plötzlich gar nicht mehr so heil. Ich war aus meinem Alltag geflohen, um mich nur noch mit positiven Dingen zu umgeben. Wollte alles Negative hinter mir lassen. Und jetzt das. Warum war ich nur hierhergekommen?
     
    Mein neues Leben hatte mit dem Tag meiner Scheidung begonnen. Ich tat das, was viele Frauen in einer solchen Situation tun: Ich beschloss, mein Leben radikal zu ändern, gab |14| meine Zulassung als Rechtsanwältin zurück, hängte die Robe an den Nagel, verließ meine Kanzlei und begann zu schreiben. Ich wollte endlich meinen Traum leben. Schon viel zu lange hatte ich mich mit einem Beruf herumgequält, der mich nicht glücklich machte.
    Eigentlich hätte meine berufliche Karriere ganz anders aussehen sollen. Nachdem ich fünf Jahre lang als Stewardess den Duft der großen, weiten Welt geschnuppert hatte, wollte ich »etwas Sinnvolles« mit meinem Leben anfangen. Mit dem unerschütterlichen Optimismus, die Welt vor dem Bösen bewahren und der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen zu können, begann ich, Jura zu studieren. Begeistert stürzte ich mich in das Studium. Gegenüber meinen Kommilitonen, die direkt von der Schule kamen, konnte ich mit Lebenserfahrung punkten. Außerdem verfasste ich leidenschaftlich gern Schriftsätze und versuchte dabei, das Juristendeutsch in eine verständliche Sprache zu bringen. Das Erste Staatsexamen schaffte ich in Rekordzeit. Im Referendaralltag nutzte ich meine Vorkenntnisse aus dem Airlinegeschäft und begann, mich auf Luftverkehrsrecht zu spezialisieren. Praxis-Stationen beim Luftfahrtbundesamt und in der Rechtsabteilung des Frankfurter Flughafens rundeten meine Ausbildung ab. Ich hatte meine Aufgabe gefunden, wollte die erste Fachanwältin für Luftverkehrsrecht werden. Diese Positionen waren Anfang der achtziger Jahre noch rar. Weltweit konnte man die Zahl der Spezialisten an einer Hand abzählen. Vielleicht könnte ich sogar noch Weltraumrecht belegen und mich so meinem alten Kindheitstraum nähern, Astronautin zu werden. Im Kopf hatte ich eine klare Vorstellung von meinem künftigen Leben: Ich jettete als Spezialistin durch die Welt, wurde von der NASA angefordert und schrieb Gutachten darüber, wem der Mond gehört. Ein schöner Traum.
    Die Realität war eine andere. Ich fand keine Anstellung in meinem Traumberuf. Um meinen Lebensunterhalt zu verdienen, machte ich mich als Anwältin selbständig und mietete mir eine kleine Praxis, in der ich auch wohnen konnte. Es war sehr schwer, Aufträge zu bekommen. Strafdelikte, Mietstreitigkeiten |15| und Scheidungen ernährten mich mehr schlecht als recht. Mein erster Mandant schuldet mir heute noch das Honorar. Er hatte seine Zivilklage verloren.
    »Sie sind eine schlechte Anwältin«, begründete er die Nichtzahlung seiner Rechnung. »Sie sind schuld, dass ich den Prozess verloren habe. Von mir bekommen Sie keinen Pfennig.«
    Die Rechtslage meines Mandanten war aussichtslos gewesen. Auch mit einem Spitzenanwalt hätte er den Prozess verloren. Aber er hatte dennoch recht. Ich war keine gute Anwältin. Jeder meiner noch so kleinen Fälle war für mich eine emotionale Herausforderung. Ich wollte, dass meine Mandanten ihr Recht erhielten. Empfand jeden Schriftsatz des gegnerischen Anwalts als persönlichen Angriff. Ich erstickte in Akten und quälte mich zu jedem Gerichtstermin. Mir fehlte die Distanz und Härte, um wirklich »gut« zu sein. Ich war zu sensibel.
    Meine Kollegen hatten solche Probleme
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