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Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang

Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang

Titel: Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang
Autoren: Lori Handeland
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das der Mann, den ich in der Gasse gesehen hatte? Der, von dem ich glaubte, dass er sich in einen Werwolf verwandelt hatte und anschließend in die Wälder gelaufen war?
    „Erlauben Sie?“ Er griff nach dem Lauf, schob ihn von seinem Gesicht weg, dann entwand er mir mit einer einzigen, geschmeidigen Bewegung die Pistole.
    Ich verkrampfte mich, da ich mit einem Angriff rechnete. Stattdessen gab er mir die Waffe mit dem Griff voran zurück. Ich hatte noch nie zuvor jemanden sich derart schnell bewegen sehen. Zumindest keinen Menschen.
    Falls er ein Werwolf wäre, hätte er mich erschossen oder gemeinsam mit seiner Gefährtin attackiert. Ich entspannte mich, wenn auch nur ein bisschen. Er war noch immer ein Fremder, und der Teufel wusste, was er hier im Dunkeln und ohne Schuhe im Wald wollte.
    „Wer sind Sie?“, wiederholte ich.
    „Damien Fitzgerald.“
    Damien? War das nicht der Name eines Dämons? Zumindest war er das in so einem Horrorfilm aus den 1970ern gewesen, den anzuschauen ich mich geweigert hatte. Ich hatte nie viel für Blutrünstigkeiten übriggehabt, und das auch schon, bevor solche Widerwärtigkeiten ein fester Bestandteil meines Lebens geworden waren.
    Der Name Fitzgerald erklärte die blasse Haut, das dunkle Haar und sogar die goldbraunen Strähnen, die die Sonne hineingebleicht hatte. Aber die Augen waren falsch. Sie sollten eigentlich so blau sein wie die irische See.
    Ihre Farbe beunruhigte mich fast genauso sehr wie die tiefe Traurigkeit und das schuldbewusste Flackern in ihnen. Ich hatte diesen Ausdruck schon tausend Male gesehen.
    Im Spiegel.
    Er verschränkte seine unglaublichen Arme vor seiner glatten Brust und starrte zu mir runter. Er war nicht wirklich groß, vielleicht einen Meter achtzig, aber selbst mit Schuhen brachte ich es gerade mal auf eins fünfundsechzig.
    Ich hasste es, klein, zierlich und fast blond zu sein. Aber ich hatte gelernt, dass Schusswaffen ein hervorragender Ausgleich waren. Es spielte keine Rolle, dass ich nur fünfzig Kilo wo g – ich konnte trotzdem einen Abzug drücken. Mehrere Jahre Judo hatten auch nicht geschadet.
    Damals, in meiner Miss-Tyler-Zeit, hatte ich Strähnchen in meinen Haaren gehabt, rosa Lippenstift und Stöckelschuhe getragen. Ich unterdrückte ein Würgen.
    Sehtnur,wasesmireingebrachthat.Narbeninnenwieaußen.
    „Was ist mit dem toten Wolf da in dem Feuer?“, fragte er.
    Ich betrachtete mein Werk. Es war schwer zu erkennen, was ich da verbrannte, aber vielleicht war er schon länger hier, als ich ahnte. Also band ich ihm denselben Bären auf wie allen Zivilisten.
    „Ich arbeite für das DNR .“
    Er verzog das Gesicht, was, wie ich aus Erfahrung wusste, die typische Reaktion auf das Department of Natural Resources war. Aber er benahm sich nicht wie die meisten Leute, wenn ich mich vorstellt e – indem er nämlich ohne sich noch mal umzusehen so schnell wie möglich das Weite suchte. Stattdessen starrte er mich mit unverhohlener Neugier an.
    „Was ist?“, fragte ich schließlich.
    „Warum verbrennen Sie einen Wolf? Ich dachte, das wäre eine bedrohte Spezies.“
    „Nur gefährdet.“
    Sein ausdrucksloser Blick verriet, dass er nicht die geringste Ahnung von den formalen Spitzfindigkeiten diese Tiere betreffend hatte. Gefährdet bedeutete, dass Wölfe unter bestimmten Umständen von bestimmten Personen getötet werden durften. Namentlich von mir. Was nun die Umstände angin g …
    „Es gibt da ein klitzekleines Tollwutproblem bei den Wölfen hier in der Gegend“, log ich.
    Eine seiner Brauen schoss nach oben. „Tatsächlich?“
    Er glaubte mir nicht? Das war mal was Neues. Ich war eine sehr gute Lügnerin.
    „Tatsächlich.“
    Meine Stimme war fest. Ich wollte keine weiteren Fragen. Vor allem keine Fragen, bei denen es mir schwerfallen würde, sie zu beantworten. Wie zum Beispiel, wie wir den Unterschied zwischen einem tollwütigen Tier und einem, das an etwas anderem erkrankt war, feststellten.
    In Wahrheit konnten wir das nicht ohne entsprechende Tests im Madison Health Lab. Die Richtlinien des DNR schrieben vor, als Erstes den zuständigen Wildhüter und dann APHIS – das Amt für Gesundheitskontrolle von Tieren und Pflanze n – zu kontaktieren.
    Zum Glück kannte sich der Durchschnittsbürger mit behördlichen Abläufen nicht aus, weshalb meine Lügen in der Regel funktionierten. Es war dabei hilfreich, dass das Wort Tollwut an sich schon für Panik sorgte. Die Leute wollten, dass das Virus ausgerottet wurde, und zwar
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