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Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang

Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang

Titel: Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang
Autoren: Lori Handeland
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erreichen, bevor ich die Verfolgung aufnahm. Der Wind war zwar mein Verbündeter, denn er wehte mir ins Gesicht, während ich über die Straße jagte, aber Wölfe verfügen über ein ausgezeichnetes Gehö r – Werwölfe sogar über ein noch bessere s – , deshalb wollte ich mich ihm nicht zu schnell nähern.
    Gleichzeitig wollte ich auch nicht zu weit hinter ihm zurückbleiben, deshalb machte ich halb rennend drei lange Sätze und tauchte in die kühlere, dunklere Region des Waldes ein.
    Sofort wurden die Lichter der Stadt gedimmt; die Luft frischte auf. Ich stamme aus Kansas, einem Bundesstaat mit sehr wenigen Bäumen, und bis heute überfällt mich ein gespenstisches Gefühl, wenn ich einen Wald betrete.
    Die Nadelbäume waren gigantisch, so alt wie manche der Kreaturen, die ich jagte, und so dick, dass es schwierig war, sich zwischen ihnen zu bewegen. Was vermutlich der Grund war, weshalb es den Großteil der Wölfe genau wie die meisten Werwölfe nach Norden zog.
    Meine Augen gewöhnten sich schnell an die Finsternis, und ich hastete mit gezückter Pistole dem buschigen, grauen Schwanz hinterher. Ich hatte das hier schon oft genug gemacht, um nicht auf die Idee zu verfallen, meine Waffe wegzustecken. Ich war kein Wyatt Earp und hatte nicht vor, erst zu ziehen, wenn der Werwolf vor mir stand. Diese Biester waren schnell wie der Teufel und genauso hinterlistig.
    Ein Geräusch zu meiner Linken ließ mich erschrocken herumfahren. Ich hielt den Atem an, lauschte, starrte angestrengt in die Dunkelheit. Hörte nichts als den Wind und sah noch weniger. Ich stand auf einer kleinen Lichtun g – der umwölkte Mond erhellte meine Umgebung nur wenig.
    Ich drehte mich wieder um, hastete weiter, blinzelte. Wo war dieser Schwanz? Vor mir gab es nichts als Bäume.
    „Dieser Bastar d – “
    Ein tiefes Grollen war meine einzige Warnung, bevor mich etwas von hinten ansprang und ich mit dem Gesicht voran zu Boden stürzte. Die Pistole flog in die Büsche. Mein Herz schlug so schnell, dass ich nicht denken konnte.
    Meine Ausbildung übernahm die Kontrolle, als ich den Wolf im Genick packte und ihn über meine Schulter warf, bevor er mich beißen konnte. Wenn es etwas gibt, das ich noch mehr hasste, als am Leben zu sein, dann war es, pelzig und am Leben zu sein.
    Er schlug auf der Erde auf, jaulte, wand sich und sprang wieder auf die Füße. Ich nutzte die paar Sekunden, die ich hatte, um in die Hocke zu gehen und das Messer aus meinem Stiefel zu ziehen. Es gab einen guten Grund, dass ich sie sogar bei sommerlicher Hitze trug: Es ist verdammt schwierig, ein Messer in einem Turnschuh zu verstecken.
    Ich hatte dem Tier bei dem Schulterwurf büschelweise graues Fell ausgerissen, das jetzt im Wind davonflatterte. Der Wolf knurrte. Seine blassblauen und viel zu menschlichen Augen verengten sich zu Schlitzen. Er war stinkwütend und dachte deshalb nicht nach, bevor er sich auf mich stürzte.
    Er rammte mich zu Boden. Noch im Fallen stieß ich ihm das Messer bis zum Heft in die Brust, dann drehte ich es mit einer flinken Bewegung um.
    Flammen schossen aus der Wunde hervor. Silber hatte diese Wirkung bei Werwölfen, was einer der Gründe war, weshalb ich es vorzog, sie aus einer gewissen Distanz heraus zu töten.
    Das Tier fletschte die Zähne. Trotz der Hitze, trotz des Blutes, hielt ich das Messer weiter fest, und als die Kreatur in meinen Armen starb, beobachtete ich, wie ihre Augen von denen eines Menschen zu denen eines Wolfs wurden. Diese Verwandlung am Ende war eine Absonderlichkeit, die ich nie ganz begreifen würde.
    Die Legende besagt, dass Werwölfe im Tod wieder ihre menschliche Gestalt annehmen, aber das ist nicht wahr. Nicht nur, dass sie Wölfe bleiben, sie verlieren auch noch den letzten Rest Menschlichkeit, während sie auf direktem Weg zur Hölle fahre n – zumindest hoffe ich, dass sie dort landen.
    Sobald das Feuer erloschen war und der Wolf aufgehört hatte, zu zucken, schob ich den Kadaver von mir weg und zog das Messer heraus. Dann machte ich eine beunruhigende Entdeckung.
    Der Wolf, den ich getötet hatte, war weiblich.
    Ich sah mich um, hielt Ausschau nach dem Rüden, den ich eigentlich erwartet hatte. Ich war mir sicher, dass der Schatten, den ich in der Gasse gesehen hatte, der eines Mannes gewesen war. Ich war dem Wolf gefolgt, der auf der anderen Seite herausgekommen war. Oder nicht?
    Könnte es diese Fähe gewesen sein? War der Rüde aus der Stadt ihr vielleicht genauso gefolgt wie ich? Aber falls dem so
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