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Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Titel: Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht
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    Der Tag hatte beschissen angefangen, war kontinuierlich und unaufhaltsam schlimmer geworden, und ich hatte schon gewusst, dass er ein wirklich böses Ende nehmen würde, noch bevor dem Kerl auf der anderen Seite des Tanzsaales der Schädel wegflog und ich beinahe von einem fünfhundert Jahre alten Fallgatter gepfählt worden wäre.
    Dabei war dieser Teil der Geschichte noch der, für den ich am wenigsten konnte. Alles andere …
    Nun, an allem anderen war ich selbst schuld, ganz egal wie man es dreht oder wendet. Ich meine — niemand kann schließlich etwas dafür, wenn er ganz harmlos in eine Bahnhofshalle kommt und irgendeinem Typ auf der anderen Seite des Raums fliegt der Schädel auseinander wie ein fauler Halloween-Kürbis, in den die Nachbarskinder anstelle einer Kerze einen Feuerwerkskörper gesteckt haben, oder?
    Aber an allem anderen war ich selbst schuld, ganz eindeutig.
    Ich hatte mich (wieder einmal) wie ein Idiot benommen.
    Nicht dass das falsch verstanden wird — ich bin kein Idiot, jedenfalls kein schlimmerer als der allergrößte Teil meiner Mitmenschen, aber es gibt Tage, da bin ich wirklich gut darin, mich wie ein solcher zu benehmen, und dieser Tag gehörte ganz eindeutig dazu.
    Es hatte damit begonnen, dass dieser verdammte Wecker nicht geklingelt hatte — wobei der Wecker genau genommen kein Wecker war, sondern das Telefon auf dem Nachttisch in meinem Hotelzimmer: eines von diesen modernen Dingern, die außer Kaffee kochen so ziemlich alles können (mit ein bisschen Glück kann man damit sogar telefonieren) und an denen man die Weckzeit einstellen konnte — wenn man es konnte.
    Ich hatte es eindeutig nicht gekonnt. Ich meinte mich düster zu erinnern, dass ich gestern Abend unten am Empfang Bescheid gegeben hatte, mich um sieben zu wecken — das Flugzeug ging um neun, also hatte ich noch genügend Zeit, zu duschen und in aller Ruhe zu frühstücken, bevor ich ins Taxi zum Flughafen steigen musste —, aber die Betonung liegt auf meinte.
    Ich war mit dröhnenden Kopfschmerzen und einem Geschmack im Mund erwacht, als hätte ich die halbe Nacht auf einer alten Socke herumgekaut, und was mich geweckt hatte, das war nicht das Telefon und nicht der Concierge gewesen, sondern das unterlegte Lachen in der Comedy, die im Fernseher lief. Gottlob hatte ich den Apparat am vergangenen Abend laufen lassen, und das Hotel verfügte nicht über die Komfortgeräte, die sich nach einer voreingestellten Zeit abschalteten, wenn man nicht eine bestimmte Taste auf der Fernbedienung drückt. Ich erwachte, weil ich mich über das unechte Lachen und die Stimmen in meinem Zimmer ärgerte, und dann — nachdem ich verschlafen ein Auge geöffnet und auf die rote Digitalanzeige des Weckers geblinzelt hatte — erwachte ich ein zweites Mal mit dem Geschmack von purem Adrenalin auf der Zunge.
    Zwanzig nach acht.
    Ich hatte verschlafen!
    Gottverdammt, dies war vielleicht der wichtigste Tag in den letzten zehn Jahren meines Lebens und ich hatte verschlafen!
    So hastig, dass mir mein Kreislauf prompt den Stinkefinger zeigte und ich gerade noch den Arm ausstrecken konnte, um mich irgendwo festzuhalten, sprang ich auf, machte einen torkelnden Schritt und blieb einen Moment lang stehen, bis die bunten Lichter hinter meinen Lidern aufhörten, sich wie wild zu drehen, und mein Kreislauf allmählich in Schwung kam. Halb blind taumelte ich ins Bad, schaufelte mir zwei Hände voll eiskalten Wassers ins Gesicht und tappte keuchend zurück ins Zimmer. Ich hätte mich ohrfeigen können. Ich bin nicht einmal sicher, dass ich es nicht getan habe.
    Ich hatte verschlafen! Großer Gott, ausgerechnet heute!
    Der Panik nahe, sah ich mich nach meinen Kleidern um und blinzelte geschlagene fünf kostbare Sekunden verständnislos in die Runde, ehe ich an mir hinabsah und feststellte, dass ich mir am vergangenen Abend offensichtlich gar nicht erst die Mühe gemacht hatte, sie auszuziehen.
    Verflucht, wie betrunken war ich eigentlich gewesen? Ich erinnerte mich an zwei Bier — allerhöchstem drei —, die ich an der Hotelbar getrunken hatte, keinesfalls genug, um mir einen Filmriss zu bescheren; unter normalen Umständen nicht einmal genug, um den Alkohol überhaupt zu spüren.
    Das musste dieser verdammte Jetlag sein. Drei Stunden Flug von L.A. nach Chicago, drei Stunden Wartezeit auf den Anschlussflug und dann noch einmal zehn Stunden in der Economy-Class, eingepfercht in einen Sitz, der so schmal war, dass er einem rechts und links die
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