Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Titel: Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht
Autoren:
Vom Netzwerk:
Rippen einquetschte und so dicht an der vorderen Reihe stand, dass ich den ganzen Flug über praktisch das Kinn auf den eigenen Knien hatte aufstützen können — und das alles nur, weil ich ja ach so clever gewesen war und das First-Class-Ticket gegen eines der Touristenklasse eingetauscht hatte, um die Differenz einzustreichen. Man muss ja schließlich sehen, wo man bleibt.
    Habe ich schon erwähnt, dass ich mich manchmal wie ein kompletter Idiot benehme?
    Ich sah auf die Uhr und bekam einen neuerlichen, noch schlimmeren Schrecken. Die Zeiger hatten einen regelrechten Satz gemacht, seit ich aufgesprungen und ins Bad getorkelt war. So hastig, dass ich mich in meinen eigenen Fingern verhedderte und vermutlich mehr Zeit brauchte, als hätte ich es in Ruhe getan, raffte ich meine Habseligkeiten zusammen, stopfte sie in die große Reisetasche, die mein gesamtes Gepäck für diesen Überseetrip darstellte, und rannte aus dem Hotelzimmer. Dabei fiel ich fast über ein Zimmermädchen, das einen großen Wagen voller Bettwäsche und Kunststoffflaschen voller Reinigungsmittel vor sich herschob und mich aus aufgerissenen Augen anstarrte, als wäre ich ein Gespenst.
    Vermutlich sah ich aus, als wäre ich gerade aus einer Mülltonne gekrochen — ungewaschen, nicht rasiert, mit ungekämmten Haaren und Kleidern, die nicht nur so aussahen, als hätte ich darin geschlafen—, aber wen störte das? Ich würde nie wieder in dieses Hotel kommen und die Leute hier waren wahrscheinlich sowieso Kummer gewohnt.
    Der Aufzug bewegte sich so langsam nach unten, als wären die Tragseile festgeklebt. Unten angekommen, quetschte ich mich durch den Spalt der quälend langsam aufgleitenden Tür, durchquerte die marmorgeflieste Eingangshalle und beantwortete den strafenden Blick des livrierten Pinguins hinter dem Empfang, indem ich schwungvoll meine Reisetasche über die linke Schulter warf — mit dem Ergebnis, dass ich prompt mit dem Ding in der Drehtür stecken blieb.
    Ich sah nicht einmal in die Richtung, aber ich konnte förmlich hören, wie eine steile Falte zwischen seinen sorgsam gezupften Augenbrauen erschien. Vermutlich machte er sich angesichts des in so offensichtlicher Hast davoneilenden Gastes Sorgen um die Rechnung — zu Recht. Sollte doch diese vermaledeite Kanzlei Flemming & Sohn dafür aufkommen. Mittlerweile wirklich im Laufschritt, eilte ich auf das erstbeste Taxi zu, warf meine Reisetasche auf den Rücksitz und hechtete so nervös hinterher, dass ich mir fast den Kopf am Türholm anstieß.
    Immerhin begriff der Fahrer, dass ich es eilig hatte, denn er ließ den Motor an, noch bevor ich mich ganz aufgerichtet und die Tür hinter mir zugeknallt hatte, und ein Trinkgeld, das eindeutig großzügiger ausfiel, als ich mir im Grunde genommen leisten konnte, brachte ihn dazu, die Innenstadt in Rekordzeit zu durchqueren.
    Wir kamen auf die Sekunde pünktlich am Flughafen an, damit ich zusehen konnte, wie das Gate geschlossen wurde und die Maschine zur Startbahn rollte. Mein Anschlussflug war weg.
    Das war der Morgen.
    Den Rest des Vor- und den größten Teil des Nachmittags verbrachte ich stehend im Gang eines hoffnungslos überfüllten Intercitys — vormittags in der Gesellschaft einer grölenden Bande von Hooligans, die fast nahtlos von einer (etwas, nicht viel) disziplinierteren Horde Wehrpflichtiger abgelöst wurde, die aus irgendeinem Grund in Kompaniestärke in den Zug stiegen und sich offensichtlich auf dem Weg ins Wochenende befanden. Mit einer Reservierung hätte ich Anspruch auf einen Sitzplatz gehabt, und ich war sowohl körperlich als auch seelisch durchaus in der Verfassung, einen Schaffner zu rufen und auf dieses Recht zu pochen — oder wäre es gewesen, hätte ich eine solche gehabt. Der Fahrkartenverkäufer hatte mich danach gefragt, aber die zusätzliche Fahrkarte hatte bereits einen guten Teil meines Bargeldes aufgezehrt, und ich hatte dankend abgelehnt, um den Fünfer zu sparen.
    Habe ich schon erwähnt, dass ich mich manchmal wie ein kompletter …?
    Ja, habe ich.
    Zwei weitere Stunden vergingen mit einer Odyssee aufeinander folgender S-, U- und Straßenbahnfahrten, die mich letztendlich nicht ganz zum Ausgangspunkt zurückbrachte, aber auch nicht sehr weit davon weg. Irgendwann siegte dann sogar bei mir die Vernunft und ich investierte den Rest meiner arg zusammengeschmolzenen Barschaft, ging zum nächsten Taxistand und handelte mit dem Fahrer einen Pauschalpreis für die Fahrt nach Crailsfelden aus.
    Der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher