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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder
Autoren: Christian Oehlschläger
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Ausweis
gesehen hatte, hat man uns in der Jägerstraße verständigt. Den Rest kennt ihr.«
    Betroffenes Schweigen machte sich breit.
    »Was machen wir denn jetzt mit ihr? Man
kann die Ärmste doch nicht einfach so mir nichts, dir nichts wieder nach Hause
schicken …«, sagte Strunz schließlich.
    »Robert kann doch fließend Spanisch«,
sagte Maike, wie aus der Pistole geschossen. »Und seine Frau ebenfalls. Da wäre
es doch vielleicht am besten …«
    »Nein, nein! Das könnt ihr mit mir nicht
machen.« Mendelski winkte energisch ab.
    »Aber Robert«, säuselten Maike und Ellen
im Chor. »Wir können doch das Mädchen nicht im Stich lassen, wo sie uns so
geholfen hat … Bitte!«
    Der Kommissar zog eine säuerliche Miene.
    »Fühlst du dich etwa überfordert?«, fragte
Heiko Strunz ironisch grinsend.
    »Schon gut.« Mendelski hob die Hände. »Hab
verstanden. Aber nur so lange, bis sich das Konsulat um sie kümmert, klar? Und
darf ich vielleicht meine Carmen noch vorher anrufen?«
    Als die Truppe kurze Zeit später
das Haus verließ – die Kirchturmuhr der nahen Johannis-Kirche schlug
gerade sechs Uhr –, standen sie alle Spalier: die beiden Kreinbrinks,
Konrad und Kai, völlig perplex vom Ausgang der Ermittlungen, Mark von Bartling,
der seinen wichtigen Minister-Besuch doch hatte warten lassen, Joachim Pagel
und Karl-Heinz Jagau, beide erleichtert darüber, dass sie ungeschoren
davongekommen waren – und schließlich Finn, an diesem Samstagnachmittag im
Oktober wohl der einsamste Mensch in der gesamten Südheide.
    Bei ihrem Dienstwagen angekommen, legte
Maike die Arme aufs Autodach.
    »Jetzt sag mal, Robert«, sagte sie über
den Wagen hinweg. »Wieso bist du eigentlich vorhin von unserem ursprünglichen
Plan abgewichen und hast nicht den Pagel, sondern ausgerechnet die Hogreve als
Erste für unser kleines Spielchen ausgesucht?«
    »Ganz einfach: Sie hatte sich verraten«,
antwortete er mit einem verschmitzten Lächeln. »Als ich der ganzen Bagage am
Blockhaus die vermeintliche Wolfsfeder unter die Nase hielt, hat sie mit
Abstand am heftigsten reagiert. Dabei konnte doch nur der Täter wissen, wo sich
die Wolfsfeder zu diesem Zeitpunkt befand.«
    »Und wenn du falsch gelegen hättest?«
    »Wäre auch nicht weiter schlimm gewesen.
Dann hätten wir unseren Plan wie ursprünglich besprochen durchgezogen. Der
Pagel wäre der Nächste gewesen, dann Finn, Kai und so weiter. Ich hätte einen
nach dem anderen unter irgendeinem Vorwand ins Haus geschickt, in unsere Falle.
Aber ich war mir da schon ziemlich sicher, dass es die Hogreve war.«
    »Mein superschlauer Kommissar …«
    »Kriminalhauptkommissar, superschlauer
Kriminalhauptkommissar, bitte. So viel Zeit muss sein.«
    Sie grinste nur frech und entriegelte
endlich das Auto.
    * * *
    Vier Tage später, am
darauffolgenden Mittwoch, stiegen Robert Mendelski und Maike Schnur wieder in
ihren Dienstwagen. Wieder ziemlich genau um achtzehn Uhr. Aber dieses Mal nicht
in Eschede, sondern am Flughafen Langenhagen, dem internationalen Airport der
Landeshauptstadt Hannover.
    Sie hatten Dania Martinéz zu ihrem
Flugzeug begleitet. Über Frankfurt, Madrid und Santo Domingo wollte sie in ihre
Heimat, die Dominikanische Republik, zurückkehren. Der Leichnam ihrer Schwester
Yadira reiste in einem Zinksarg im Frachtraum des Fliegers mit. Darauf hatte
Dania bestanden.
    Die Leiche war erst am Vormittag, nachdem
das Innenministerium in Hannover dem Druck des Dominikanischen Generalkonsulats
nachgegeben hatte, von der Staatsanwaltschaft freigegeben worden. Danach stand
der Überführung der Toten nun nichts mehr im Wege.
    Dania Martinéz hatte die vier Tage ihres
Aufenthaltes tatsächlich bei den Mendelskis in Boye verbracht. Trotz des
großzügigen Angebots des Dominikanischen Konsulats, sie in einem Nobelhotel in
Hamburg unterzubringen, hatte sie sich für Celle entschieden. Sie wollte lieber
in der Nähe ihrer toten Schwester bleiben.
    Mendelski, Carmen und Ana – die am
Sonntag extra aus Hannover angereist war, um ihre Eltern zu unterstützen –
hatten sich abwechselnd um ihren trauernden Gast gekümmert. Da die ganze
Familie fließend Spanisch sprach und sich auch rührend um Dania kümmerte, hatte
sich die junge Frau in dem familiären Umfeld den Umständen entsprechend
wohlgefühlt.
    Am Montag hatte sie sich von Mendelski und
Maike Schnur nach Eschede fahren lassen; sie wollte dorthin zurück, wo sich
ihre Schwester in den letzten Monaten so wohlgefühlt hatte: ins
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