Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder
Autoren: Christian Oehlschläger
Vom Netzwerk:
war wohl durch das Loch in der Buchenhecke geschlüpft. Ich konnte
sie durchs Fenster beobachten und sah im Schein des Mondes, wie sie tuschelten
und sich in den Armen lagen.« Ihre Stimme triefte vor Verachtung.
    »Waren sie sehr intim?«
    Irene Hogreve errötete wieder. »Nein, es
sah nicht danach aus. Ich nehme an, dass sie wohl das erste Mal so ein
Schäferstündchen abhielten. Nach ungefähr zwanzig Minuten kamen sie dann wieder
heraus. Yadira brachte Finn noch zur Buchenhecke und gab ihm dort einen langen
Abschiedskuss. Und da wurde es mir dann doch zu viel.«
    »Inwiefern?«
    »Na, ich dachte, jetzt macht sie meinen
Kai doppelt unglücklich. Weist ihn zurück und schnappt sich stattdessen seinen
besten Freund. Das hätte Kai nie verwunden.«
    »Also … wollten Sie dem ein Ende
machen?«
    »Genau. Während sie an der Hecke standen
und herumknutschten, bin ich ins Blockhaus und habe nach etwas gesucht, womit
ich diesem Flittchen einen gehörigen Schrecken einjagen könnte.«
    »Und da fanden Sie die Wolfsfeder?«
    »Ja, die hängt ja gleich neben der Tür.
Ich nahm also den Spieß von der Wand und schlich damit hinaus. Yadira hatte
sich wohl inzwischen von Finn verabschiedet und kam zum Blockhaus zurück. Am
Rand des Pools sind wir dann aneinandergeraten, ein richtiger Zusammenstoß.«
    »Zusammenstoß?«
    »Ja, wir sind regelrecht
ineinandergeprallt. Ich wollte sie gründlich erschrecken, daher hielt ich ihr
die Spitze der Wolfsfeder unter die Nase. Sie war so geschockt, als ich aus dem
Nichts plötzlich vor ihr stand, mit dem Spieß in der Hand, dass es ihr die
Sprache verschlug. Zwei, drei Schritte wich sie zurück, stolperte, verlor das
Gleichgewicht und …« Sie stockte.
    »… und stürzte in den Pool«, beendete
Maike Schnur für sie den Satz.
    »Das hatte ich aber nicht beabsichtigt«,
wehrte sich die Haushälterin. »Das müssen Sie mir glauben.«
    »Aber Sie wussten doch sicher, dass Yadira
nicht schwimmen konnte?«, fuhr Mendelski mit harter Stimme dazwischen.
    Sie nickte stumm.
    »Wie haben Sie reagiert?«
    »Erst mal hab ich mir angeguckt, wie sie
da strampelte und prustete. Sie tat mir in dem Moment kein bisschen leid. Nach
all dem, was sie im Hause Kreinbrink angerichtet hatte.«
    Bei so viel Kaltschnäuzigkeit blieb
Mendelski beinahe die Luft weg. »Was geschah dann?«
    »Schließlich dachte ich mir, jetzt ist es
genug. Das reicht, um sie zu bestrafen. Doch wie konnte ich ihr schon helfen?
Ins Wasser springen, das kam für mich bei dieser Kälte nicht in Frage. Außerdem
bin ich weiß Gott keine gute Schwimmerin.«
    »Also?«
    »Na ja, ich hatte ja noch die Wolfsfeder
in der Hand, mit der Spitze nach vorn. Da kam mir die Idee, den Spieß einfach
umzudrehen.«
    »Warum das?«, forschte Mendelski. Obschon
er ahnte, was jetzt kommen würde.
    »Ich wollte ihr den Holzstab reichen,
damit sie sich daran festhalten konnte«, erklärte die Hogreve treuherzig. »Ich
wollte sie damit an den Beckenrand ziehen, wo sie hätte herausklettern können.«
    »Aber es kam nicht dazu?«
    »Nein. Ich weiß auch nicht, was da in mich
gefahren ist.« Sie senkte den Kopf. »Der Teufel muss mich geritten haben. Ja,
der Teufel …« Sie fing theatralisch an zu schluchzen. »Anstatt ihr den
Stab einfach hinzuhalten, damit sie ihn greifen konnte, hab ich
zugestoßen … mit dem stumpfen Ende der Wolfsfeder. Ich traf sie an der
Stirn, da sackte sie zurück ins Wasser.« Sie schniefte laut.
    »Sie haben dann trotzdem noch mal
zugestoßen?«, fragte Mendelski heiser.
    »Ja, schon, noch einige Male.« Ihr Atem
stockte. »Sie kam ja immer wieder hoch … Ich hab sie an Kopf, Schultern
und Armen erwischt. Irgendwann ist sie dann nicht wieder aufgetaucht.«
    Es dauerte eine Weile, bis Mendelski die
Sprache wiederfand.
    Maike hatte mit dem Schreiben für einen
Moment ausgesetzt. Entsetzt hatte sie erst die Haushälterin angestarrt, sich
dann aber voller Abscheu von ihr abgewandt.
    Widerwillig setzte Mendelski die Befragung
fort:
    »Was unternahmen Sie dann?«
    Offenbar bekam Irene Hogreve nach dem
Geständnis langsam wieder Oberwasser. »Ich ging einfach zum Haus zurück, in
meine Wohnung hinauf, und legte mich ins Bett. Geschlafen habe ich in der Nacht
aber nicht. Das können Sie doch nachvollziehen, nicht wahr?«
    Mendelski schüttelte verständnislos den
Kopf.
    »Und was haben Sie mit der Wolfsfeder
gemacht?«, fragte er schließlich.
    »Tja …« Einen Moment schien sie zu
überlegen, ob sie die Wahrheit sagen sollte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher