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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder
Autoren: Christian Oehlschläger
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oder nicht. Schließlich entschied
sie sich, reinen Tisch zu machen. »So dumm, die Wolfsfeder wieder an ihren
alten Platz zu hängen, war ich nicht«, berichtete sie. »Ich hatte ja keine
Handschuhe getragen, und so viel wusste ich, dass dieser Spieß als Tatwaffe für
mich gefährlich werden konnte.«
    »Sie haben ihn versteckt?«
    »Nein, besser noch.« Ihre Augen blinzelten
hinterlistig. »Entsorgt habe ich das gute Stück. Ich hoffe, Herr Kreinbrink
verzeiht mir das. Am Donnerstagmorgen habe ich den Holzstab mit Wiegands
Bügelsäge zersägt und die Stücke im Kamin verbrannt. Die Metallspitze habe ich
in den Müll geworfen. Die ist bestimmt schon auf irgendeiner Deponie gelandet.«
    Mendelski seufzte. »Schade eigentlich.«
Nach einer Verschnaufpause sagte er: »Apropos Donnerstagmorgen: Haben Sie
mitbekommen, wie Wiegand die Leiche fortgeschafft hat?«
    »Nein. In den Garten hab ich mich an dem
Morgen verständlicherweise nicht getraut. Ich dachte mir, irgendwann wird schon
jemand die Leiche finden. Daher wunderte ich mich total, als nachmittags der
Anruf kam, Yadira wäre im Wald gefunden worden. Ich konnte es nicht glauben und
bin zum Pool. Aber der war leer, geputzt, picobello ausgewischt – und von
dem Mädchen keine Spur. Das kann nur der Wiegand gewesen sein, habe ich mir
gedacht.«
    »Das kam Ihnen sehr zupass, nehme ich an.«
Mendelski nickte vor sich hin. »Und Sie haben schön den Mund gehalten.«
    »Das hätten Sie doch an meiner Stelle auch
getan«, empörte sich Irene Hogreve.
    Der Kommissar ignorierte diese
Unterstellung und setzte nach: »Deshalb haben Sie auch nicht gleich Alarm
geschlagen, nachdem Sie von Wiegand im Schuppen so zugerichtet worden waren.
Sie wollten, dass er einen Vorsprung kriegt, türmt und sich so selbst ans
Messer liefert?«
    »Ja, es passte doch ganz hervorragend,
dass dieser Trottel den Märtyrer spielte.« Sie brachte es tatsächlich fertig,
völlig mitleidslos zu lächeln, als sie sagte: »Schade eigentlich, dass er
danebengesprungen ist. Wenn er das nicht überlebt hätte, wären Sie doch niemals
darauf gekommen, was in Wahrheit geschehen war.«
    Mendelski musste sich insgeheim
eingestehen, dass Irene Hogreve damit nicht ganz unrecht hatte.
    »Mit meinem mageren Englisch
habe ich nicht viel von ihr erfahren«, sagte Ellen Vogelsang, als sie zu einer
kurzen Abschlussbesprechung in der Küche beisammenstanden.
    Dania war in der Zwischenzeit auf eigenen
Wunsch allein zum Pool gegangen, um dort ihrer Schwester zu gedenken. Ein
uniformierter Polizist wachte aus gebührender Entfernung über sie. Irene
Hogreve saß derweil auf der Rückbank des Streifenwagens, mit Handschellen an
einen Ordnungshüter von der Polizeistation Eschede gefesselt.
    »Dania Martinéz hatte anscheinend
vorgehabt, ihrer Zwillingsschwester in Deutschland einen Überraschungsbesuch
abzustatten. Die Reise hatte sie schon geplant, als Yadira noch bei ihrer
ersten Gastfamilie in Eldingen wohnte. Das Geld dafür hatte sie mit Hilfe von
Verwandten und Freunden zusammengespart. Dann an dem Nachmittag, bevor sie
losflog, träumte sie, dass Yadira ums Leben kam. Und jetzt haltet euch fest: Da
war hier bei uns Mittwochnacht – die Unglücksnacht. Sie sagt, sie hätte
sofort gewusst, dass mit Yadira etwas Schlimmes passiert war.«
    »So was soll unter eineiigen Zwillingen
öfter vorkommen«, sagte Maike, um dem skeptischen Blick von Jo Kleinschmidt zu
begegnen. »Manche haben einen besonderen Draht zueinander, auch über Tausende
Kilometer Entfernung hinweg. Dafür gibt es genügend Beispiele. Außerdem stammt
Dania ja aus der Karibik. Anders als hier spielen dort, wie bei anderen
Naturvölkern auch, übersinnliche Kräfte oder das Zweite Gesicht eine besondere
Rolle. Siehe Voodoo und so …«
    »Jedenfalls hat sie sich mit sehr unguten
Gefühlen auf die lange Reise gemacht«, setzte Ellen Vogelsang ihren Bericht
fort. »In der trügerischen Hoffnung, dass Yadira vielleicht doch wohlauf sein
könnte. Aber als sie in Celle am Bahnhof ankam und die Kreinbrinks anrufen
wollte, da hielt ihr dieser Obdachlose die Zeitung vom Vortag unter die Nase.
Dort war ein Foto von Yadira abgebildet, mit ihrem Namen und der Nachricht, sie
sei tot. Der Obdachlose, der sie, das lebendige Double der Toten, entsetzt und
erstaunt anstarrte, machte ihr offenbar durch Zeichensprache klar, um was es
ging. Da wusste sie, dass ihr Alptraum wahr geworden war, und ist
zusammengeklappt. Nachdem man sie ins Krankenhaus gebracht und ihren
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