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Wolfsblut

Wolfsblut

Titel: Wolfsblut
Autoren: Jack London
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die Töne, und die Hunde drängten sich angstvoll aneinander und so dicht um das Feuer herum, daß die Hitze ihnen den Pelz versengte.
    Bill warf mehr Holz auf die Glut, bevor er sich eine Pfeife anzündete.
    »Ich denke, du bist ein bißchen melancholisch gestimmt«, bemerkte Heinrich.
    »Du, Heinrich …« Er sog nachdenklich eine Weile an der Pfeife, bevor er fortfuhr: »Ich dachte gerade daran, wieviel hunderttausendmal glücklicher doch der da drin ist, als wir, du und ich, es je sein werden.«
    Dabei deutete er mit dem Daumen abwärts auf die Kiste, auf der sie saßen.
    »Wenn wir, Heinrich, du oder ich, sterben, wollen wir froh sein, wenn wir so viel Steine auf unsere Kadaver bekommen, daß die Hunde davon abgehalten werden.«
    »Aber wir haben auch keine Verwandten und kein Geld und all das wie der da«, entgegnete Heinrich. »Eine lange Reise als Leiche ist etwas, was wir uns nicht leisten können.«
    »Was mich wundert, Heinrich, ist, was so ’n Mensch wie der da, der im eigenen Lande ein vornehmer Herr war und sich um Essen und Trinken und ums Nachtquartier nie hat zu sorgen brauchen – was so einer hierher in diesen gottverlassenen Winkel kommt, das kann und kann ich nicht recht einsehen.«
    »Er hätte ein hohes Alter erreichen können, wenn er zu Haus geblieben wäre«, stimmte Heinrich bei.
    Bill öffnete den Mund, um zu sprechen, besann sich jedoch eines anderen. Er deutete statt dessen in das Dunkel hinein, das wie eine Mauer sie auf allen Seiten umgab. Es waren in der dichten Finsternis weder Formen noch Gestalten zu erblicken, nur ein Augenpaar konnte man wie glühende Kohlen darin leuchten sehen. Heinrich deutete mit einer Kopfbewegung nach einem zweiten und einem dritten Augenpaar. Ein Kreis glühender Augen schien sich um das Lager zu ziehen. Hin und wieder bewegten sich die glühenden Punkte, verschwanden, um einen Augenblick später wieder aufzutauchen.
    Die Ruhelosigkeit der Hunde hatte zugenommen, sie rannten in einem Anfall plötzlicher Angst nach der Innenseite des Feuers und drängten sich an die Männer heran. Bei der wilden Flucht war einer dicht am Feuer zu Fall gekommen, und während der Geruch seines versengten Pelzes die Luft erfüllte, winselte er vor Schmerz und Angst. Unterdessen hatte sich der Kreis glühender Augen unruhig hin und her bewegt und einen Augenblick sogar ein wenig zurückgezogen, aber wieder kehrten die leuchtenden Punkte an den früheren Platz zurück, als die Hunde ruhiger wurden.
    »Heinrich, es ist ein großes Unglück, daß wir überhaupt keine Patronen mehr haben.«
    Bill hatte seine Pfeife ausgeraucht und half dem Gefährten, auf die Tannenzweige, die sie noch vor dem Abendessen auf den Schnee gelegt hatten, die wollenen Decken und Pelze zum Nachtlager auszubreiten. Heinrich brummte zustimmend und machte sich daran, seine Mokassins aufzuschnallen.
    »Wie viele Patronen haben wir noch, sagtest du«, fragte er.
    »Drei«, war die Antwort. »Ich wünschte, es wären dreihundert. Dann wollte ich ihnen schon was zeigen, den verdammten Bestien.«
    Bill schüttelte ärgerlich die Faust nach den glühenden Augen hin und fing ebenfalls an, sich die Mokassins auszuziehen, die er am Feuer aufstellte.
    »Ich wünschte, diese Kälte möchte endlich mal nachlassen«, fuhr er fort. »Wir haben nun schon vierzehn Tage lang fünfzig Grad gehabt, und ich wollte, ich hätte mich nie auf diese Fahrt begeben, Heinrich. Mir gefällt sie nicht! Mir ist nicht wohl dabei, und wenn ich einmal beim Wünschen bin, so möcht ich, die Fahrt wäre erst vorbei, und du und ich, wir säßen am Feuer in Fort McGurry so um diese Zeit des Tages und spielten Karten. Ja, das möcht ich!«
    Heinrich brummte und kroch ins Bett. Beim Einduseln weckte ihn die Stimme des Gefährten.
    »Hör mal, Heinrich – den andern, der dazukam und den Fisch bekam warum bissen den die Hunde nicht weg? Das beunruhigt mich.«
    »Du plagst dich zu sehr, Bill«, kam schläfrig die Antwort. »Du warst doch vorher nie so. Nun hör mal auf und schlafe, dann bist du morgen wieder frisch und munter. Du hast dir den Magen verdorben, und das quält dich!«
    Die Männer schliefen unter derselben Decke schwer atmend nebeneinander. Das Feuer brannte herunter, und der Kreis glühender Augen zog sich immer enger um das Lager. Die Hunde drängten sich angstvoll aneinander und knurrten jedesmal drohend, wenn ein Augenpaar näher herankam. Einmal wurde der Lärm so toll, daß Bill erwachte. Er kroch vorsichtig aus dem Bett, um
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