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Wolfsblut

Wolfsblut

Titel: Wolfsblut
Autoren: Jack London
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Blick die Gier des Hungers, grausam wie seine Zähne und unbarmherzig wie die Kälte.
    Es war für einen Wolf groß, seine hagere Gestalt zeigte die Umrisse eines Tieres, das zu den größten seiner Art zählte.
    »Es hat eine Schulterhöhe von gut zwei und einem halben Fuß«, bemerkte Heinrich, »und ich wette, es ist nicht weniger als fünf Fuß lang.«
    »Und was für eine sonderbare Farbe für einen Wolf!« versetzte Bill. »Noch nie hab ich einen roten Wolf gesehen, und dieser sieht ganz zimmetfarben aus.«
    Nun war wohl das Tier nicht zimmetfarben, denn die vorherrschende Farbe seines Felles war die des echten Wolfes, nämlich grau, dennoch lag darüber ein rötlicher Schimmer, der kam und ging und mehr einer Augentäuschung glich, denn bald sah es grau, entschieden grau aus, bald zeigte es jene seltsame Färbung, für die es keine rechte Bezeichnung gab.
    »Es sieht wie ein großer Schlittenhund aus«, sagte Bill. »Ich würd’ mich gar nicht wundern, wenn es mit dem Schwanz wedelte. – Holla, du Hund«, rief er ihm zu. »Komm mal her, wie du auch heißen magst.«
    »Es hat nicht ein bißchen Angst vor dir«, lachte Heinrich.
    Bill drohte ihm mit der Hand und rief ihm laut zu, aber das Tier verriet keine Furcht. Die einzige Veränderung, die an ihm zu bemerken war, war eine erhöhte Spannung. Es betrachtete die Männer mit der mitleidlosen Gier des Hungers.
    Sie waren Fleisch, und da es hungrig war, wäre es, wenn es gewagt hätte, gern vorwärts gegangen und hätte sie gefressen.
    »Hör mal, Heinrich«, sagte Bill, indem er unwillkürlich die Stimme senkte, »wir haben zwar nur noch drei Patronen, aber es ist ein sicherer Schuß. Ich könnte nicht fehlen. Es hat uns drei Hunde entführt, und dem sollte Einhalt getan werden. Was sagst du?«
    Heinrich nickte zustimmend. Bill zog vorsichtig die Flinte heraus und hob sie empor. Allein bevor er sie bis zur Schulter brachte, sprang die Wölfin zur Seite und verschwand unter den Tannen.
    »Das hätt ich wissen können«, schalt Bill laut, als er die Flinte an ihren Platz zurücklegte. »Natürlich versteht ein Wolf, der zu den Hunden zur Fütterung kommt, auch was von Feuerwaffen. – Ich sag dir’s jetzt gerade heraus, Heinrich, die Bestie ist an all unserm Unglück schuld. Wir hätten noch sechs statt der drei Hunde, wenn die nicht gewesen wäre. – Und das sag ich dir, Heinrich, ich geh auf die Bestie los. Die aber ist zu schlau, um offen geschossen zu werden, also werd ich mich in den Hinterhalt legen, und da werd ich ihr eins auf den Pelz brennen, so wahr ich Bill heiße.«
    »Du mußt dich nur nicht zu weit entfernen«, warnte der Gefährte. »Wenn das Rudel dich angreift, so helfen drei Patronen ebensowenig wie drei Hilferufe in der Hölle. Die Tiere sind verdammt hungrig, und haben sie dich erst einmal umringt, dann bist du sicher verloren.«
    Sie schlugen an jenem Abend das Lager frühzeitig auf. Drei Hunde konnten den Schlitten nicht mehr so schnell und so lange ziehen, als es sechs getan hatten, und sie zeigten deutlich, daß sie ermüdet waren. Auch die Männer gingen früh schlafen, nachdem Bill sich noch vorher überzeugt hatte, daß die Hunde so weit voneinander angebunden wären, daß sie sich nicht gegenseitig losbeißen könnten.
    Allein die Wölfe waren dreister geworden, und mehr als einmal wurden die Männer aus dem Schlafe geweckt, wenn jene so nahe kamen, daß die Hunde vor Angst und Schreck wild wurden. Dann war es notwendig, mehr Holz auf das Feuer zu werfen, um die frechen Angreifer in sicherer Entfernung zu halten.
    »Ich hab die Matrosen von Haifischen erzählen hören, die ein Schiff verfolgten«, bemerkte Bill, als er, nachdem er das Feuer geschürt hatte, wieder unter die Decke kroch. »Diese Wölfe sind aber wie Haifische auf dem Lande. Sie verstehen ihr Geschäft besser als wir und folgen unsrer Spur nicht zum Vergnügen. Sie kriegen uns; sie kriegen uns ganz sicher, Heinrich.«
    »Sie haben dich schon halb und halb, wenn du so redest«, versetzte Heinrich ärgerlich. »Man ist schon halb besiegt, wenn man es eingesteht, und du bist halb gefressen, wenn du noch weiter so schwatzt.«
    »Sie haben bessere Leute als dich und mich gekriegt«, antwortete Bill.
    »Ach, hör auf mit deinem Unken! Das bekommt einer auf die Dauer satt.« Heinrich drehte sich verdrießlich auf die Seite, wunderte sich jedoch, daß Bill nicht böse wurde. Das sah ihm nicht ähnlich, denn ein scharfes Wort kränkte ihn leicht. Heinrich dachte noch lange
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