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Wolfsblut

Wolfsblut

Titel: Wolfsblut
Autoren: Jack London
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Es war eine vergebliche Hoffnung, daß Einohr über die Verfolger einen so großen Vorsprung gewinnen würde, daß er an ihnen vorbei und quer zum Schlitten gelangen konnte. Rasch näherten sich die verschiedenen Linien dem verhängnisvollen Punkte. Draußen im Schnee, von Bäumen und Gebüsch verdeckt, das wußte Heinrich, waren die Wölfe mit Einohr und Bill zusammengekommen.
    Nur zu schnell, viel schneller, als er es erwartet hatte, war es geschehen. Er hörte einen Schuß, dann noch zwei in rascher Aufeinanderfolge und wußte, daß Bills Munition verbraucht war. Dann erhob sich ein fürchterlicher Lärm, ein wütendes Knurren und Kläffen. Er erkannte Einohrs gellendes Todesgeschrei, er hörte das Wehgeschrei eines sterbenden Wolfes, dann war alles aus. Das wütende Geknurr hörte auf, das wilde Gekläff erstarb, und tiefes Schweigen senkte sich über das einsame Land.
    Der Mann blieb noch eine Zeitlang auf dem Schlitten sitzen. Er brauchte nicht hinzugehen, um zu sehen, was sich zugetragen hatte; er wußte es, als wäre es vor seinen Augen geschehen. Einmal fuhr er auf und griff hastig nach der Axt, die auf dem Schlitten festgebunden war. Aber er setzte sich wieder und brütete weiter, während die beiden noch übrigen Hunde sich zitternd an ihn schmiegten.
    Endlich erhob er sich müde, wie wenn alle Widerstandskraft aus seinem Körper gewichen wäre, und schickte sich an, die Hunde vor den Schlitten zu spannen. Er schlang einen Strick um die Schulter und zog mit den Hunden gemeinsam. Er wanderte nicht weit. Sobald die Dunkelheit hereinbrach, schlug er schnell das Lager auf und trug für einen reichlichen Holzvorrat Sorge. Er fütterte die Hunde, kochte das Abendessen und machte das Bett dicht neben dem Feuer zurecht.
    Allein er sollte keine Ruhe finden. Bevor er die Augen schloß, waren die Wölfe für seine Sicherheit viel zu nahe gekommen. Man brauchte sich nicht mehr anzustrengen, um sie zu sehen. Sie waren alle in engem Kreis dicht um das Feuer, er konnte sie deutlich sehen. Einige lagen, andere saßen, noch andere krochen auf dem Bauche heran oder schlichen vor- und rückwärts, und einige schliefen sogar. Hier und da sah er einen, der wie ein Hund zusammengerollt im Schnee lag und sich des Schlafes erfreute, der ihm versagt war.
    Er ließ das Feuer hell auflodern, denn er wußte, dies war das einzige Mittel, ihre gierigen Zähne von seinem Leibe fernzuhalten. Die beiden Hunde hielten sich dicht in seiner Nähe und schmiegten sich, wie um Schutz flehend, an ihn und knurrten wütend oder winselten erschrocken, wenn ein Wolf sich zu nahe heranwagte. In solchen Augenblicken pflegte der ganze Kreis lebendig zu werden. Die Wölfe sprangen dann auf und drängten vorwärts, während lautes Gekläff und wütendes Geknurr ringsum erscholl. Dann wieder legte sich der Lärm, und hier und da versank ein Wolf von neuem in Schlaf.
    Doch immer enger ward der Kreis. Allmählich, Zoll für Zoll zog er sich zusammen, indem ab und zu ein Wolf näher kroch, bis die Tiere nur noch auf Sprungweite entfernt waren. Dann pflegte wohl der Mann ein brennendes Holzscheit in die Hand zu nehmen und es unter das Rudel zu schleudern. Ein eiliger Rückzug erfolgte unter ärgerlichem Gekläff und Geknurr, wenn ein wohlgezielter Wurf ein zu dreistes Tier getroffen und versengt hatte.
    Der Morgen fand den Mann müde, matt und schlaftrunken an. Er kochte im Dunkeln das Frühstück, und als der Tag um neun Uhr anbrach und das Rudel sich zurückzog, machte er sich an die Arbeit, die er in den langen Stunden bei Nacht geplant hatte. Er hieb junge Tannenbäume um und machte daraus Stangen, die er hoch oben in den Kronen einiger Bäume zu einem festen Gerüste verschränkte. Dann zog er mit Hilfe der Hunde und mit den Schlittenriemen, die er als Seil benutzte, den Sarg auf dieses Gerüst hinauf. »Sie haben Bill gekriegt, und sie mögen auch mich bekommen, aber, junger Mann, dich sollen sie nicht haben«, sagte er zu der Leiche auf dem Baum.
    Dann machte er sich auf den Weg, während der leichte Schlitten hinter den willigen Hunden rasch dahintanzte, denn auch sie wußten, daß ihre Sicherheit nur von ihrer Ankunft in Fort McGurry abhing. Die Wölfe wurden in ihrer Verfolgung immer dreister, sie trabten lässig im Rücken und zu beiden Seiten hinterher, während die roten Zungen heraushingen und die Rippen in den magern Körpern bei jeder Bewegung zu sehen waren. Sie waren wirklich nur noch Haut und Knochen und die Muskeln zu Bindfäden
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