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Wolfgang Ambros - Die Biografie

Wolfgang Ambros - Die Biografie

Titel: Wolfgang Ambros - Die Biografie
Autoren: Wolfgang Ambros
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Mitterstöger, der Wirt, bei dem die Jungen von ganz Wolfsgraben verkehrten, hat das Dorf in Unruhe versetzt, indem er eine Musicbox aufgestellt hat. Die hat alles verändert, mein Leben am meisten.
    Die Jukebox war die Innovation des Jahrzehnts. Plötzlich gab es Musik, wann immer man wollte. Normalerweise spielt ein derartiges Gerät nur, wenn man Geld hineinschmeißt, so hat sich das der Wirt ja auch vorgestellt. Aber weil wir nichts hatten, fanden wir einen Weg, das Wunder ohne Geld zu bewerkstelligen, und der alte Mitterstöger hat das zugelassen. Jeden Tag sind wir ins Wirtshaus und haben die Maschine in Gang gesetzt, bevor die älteren Herrschaften gekommen sind, die gesagt haben: »Dreht’s ab die neue Musik.«
    Alles haben wir uns angehört, also alles, was die Box hergab. Die ersten Beatles-Lieder, die ersten Stones-Lieder, die Easybeats und die Animals. Ich war fasziniert, vom ersten Augenblick an. Vor allem von House of the Rising Sun und Satisfaction. Da konnte ich nicht widerstehen.
    Der Mitterstöger war eine Art Pionier für uns. Alle sind wir bei ihm gesessen, die Guten wie die Bösen. Was damals die Jugend trotz aller Raufereien, die an der Tagesordnung waren, vereint hat, hat er uns zur Verfügung gestellt. Vom Hula-Hoop-Reifen bis zur Jukebox. Im Hula-Hoop war ich übrigens so gut wie unschlagbar. Konnte alle Moves, vom Handgelenk bis runter zu den Knöcheln und wieder rauf. Und im Hintergrund hat Mick Jagger dazu I can’t get no satisfaction gesungen. Die perfekte Untermalung zu einem Leben, das sich noch spielerisch im Kreis dreht, und einer Sehnsucht nach einer Erfüllung von etwas, das man noch gar nicht kennt. Genau das war es, was mein Lebensgefühl ausgemacht hat, damals Mitte der sechziger Jahre.

3
Liebe und andere Liederlichkeiten
    Meine Karriere als Musiker begann brutal. Nämlich dergestalt, dass mein Vater, der mir unbedingt das Geigenspiel beibringen wollte, vor lauter Zorn den Bogen auf meinem Schädel zerbrochen hat. Was ich ihm aus heutiger Sicht nicht einmal übel nehmen kann, so extrem deppert, wie ich mich angestellt hab. Geige war demnach nichts für mich.
    Gitarre schon. Vielleicht lag es daran, dass mein Vater, der die Violine selber nicht beherrschte, gerade einmal zwei, drei Stücke intus hatte. Vielleicht lag es daran, dass man bei mir andere Saiten aufziehen musste, um mich für was zu begeistern. Vielleicht lag es einfach daran, dass der Mitterstöger seine Jukebox erst kurz nachher aufgestellt hat. Jedenfalls habe ich angefangen, meinen Vater um eine Gitarre anzusudern.
    »Nie im Leben«, sagte er, »das ist kein Instrument, das ist ein Zustand.«
    Dann kam der Tag, an dem eine ältliche Dame in unser Leben trat. Sie hat mit meinem Vater geredet, der nach der Schließung unserer Schule in Wolfsgraben zuerst Lehrer, dann Direktor in der Volksschule in Pressbaum war, und fürderhin gab es dort Musikunterricht am Nachmittag. Ziehharmonika für die Bauernkinder, das war das Instrument, das man damals hauptsächlich gelernt hat. Irgendwann habe ich die Musiklehrerin gefragt, ob sie mir Gitarrestunden geben könnte.
    »Ja«, sagte sie, »sofern du eine Gitarre hast, weil die werden wir brauchen.«
    Ein halbes Jahr später ließ sich mein Vater erweichen und eine kleine rote Gitarre lag unterm Weihnachtsbaum. Mit der sprach ich bei der älteren Dame vor, Gott hab sie selig, und sie möge mir verzeihen, dass ich ihren Namen nicht mehr weiß, weil sie eine ganz wesentliche Person in meiner Entwicklung war.
    Sie musterte meine Gitarre und sagte: »Na ja, viel Freude wirst du nicht haben mit dem Ding.«
    Sei’s drum, mit der kleinen roten Gitarre habe ich meine ersten Griffe gelernt. C-Dur, A-Dur, G-Dur und D-Dur, das Rüstzeug eines jeden Komponisten im Popmusikbereich. Kein Moll, keine Siebener, kein Nichts. Wie ich nach eineinhalb Monaten den Unterricht beendet habe, konnte ich genau vier Harmonien. Auf die habe ich aufgebaut, mit denen habe ich mich gespielt, bis ich siebzehn war. Nichts anderes als die vier Harmonien, bis ich sie draufgehabt hab, wie ich sie heute draufhabe. Meine Ausbildung der linken und rechten Hand stammt aus der Zeit. Und viel mehr ist nicht dazugekommen, außer ein paar Variationen.
    Leser: »Ziehharmonika hast du auch gelernt?«
    Nein, leider nicht. Das hätte ich tun sollen, aber damals war ich schon ein Hippie und hab Bob Dylan entdeckt. Was den Herrn so erfolgreich macht, ist seine überschaubare Kenntnis der Harmonielehre. Das heißt: Seine
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