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Wolfgang Ambros - Die Biografie

Wolfgang Ambros - Die Biografie

Titel: Wolfgang Ambros - Die Biografie
Autoren: Wolfgang Ambros
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ausgebootet. Irgendwann sind wir zu dem Schluss gekommen, es muss was geschehen. Jetzt vertreibenwir sie, die Sozialisten aus Wien, unsere Feinde. Kann ja nicht so schwer sein in Kenntnis der Umgebung, und die in Unkenntnis. Der Anschlag sollte mitten in der Nacht vonstatten gehen, dazu hat natürlich jeder von uns von daheim ausreißen müssen.
    Das Treffen ist hochgradig konspirativ. Fünf Attentäter, die einen Überfall beschließen, sobald alle schlafen. Wir schleichen hinten durch den Wald den Berg hinauf bis an den Rand des Steinbruchs, wo es ganz schön runtergeht. Von dort beobachten wir das Geschehen.
    Zwei Wächter sitzen beim Lagerfeuer. Sie unterhalten sich und merken nichts. Wir tricksen sie mühelos aus. Wir robben an ihnen vorbei zu den Zelten, ziehen alle Heringe heraus, zack, zack, zack, und schneiden die Schnüre durch, pack, pack, pack.
    Die Zelte fallen nicht augenblicklich zusammen, sie stehen bloß wackelig da. So haben wir uns das nicht vorgestellt. Andererseits verschafft uns das Zeit, wir sabotieren noch fünf, sechs Zelte. Auf einmal ist Aufruhr im Lager. Irgendwer hat uns entdeckt. Wir nix wie weg in den Wald, der Finsternis in die schützenden Arme. Dort können sie uns moscherln mit ihren Taschenlampen und sonst keiner Ahnung. Wir häkerln sie noch ein bissel, ein Rascheln hier, ein Zischeln da, die stehen schön auf der Schaufel. Erwischen lassen wir uns nicht.
    Mein Vater dürfte etwas geahnt haben. Er ist mir gekommen mit der Sprache des Gewissens. Es habe da eine Beschwerde auf der Gemeinde gegeben, die Pfadfinder hätten was beanstandet, ob ich dazu irgendwas zu sagen hätte?
    Ich habe mich empört: »Was? Ich? Nein. Ich habe es auch schon gehört. So was.«
    Und das war’s dann. Die Pfadfinder sind nie mehr gekommen.
    Insgeheim wird uns der Bürgermeister dankbar gewesen sein. Die Pfadfinder haben sich ihren Proviant mitgenommen und in der Gegend nichts gekauft, was der Wirtschaft in Wolfsgraben dienlich gewesen wäre.
    »Schauen Sie«, wird der Bürgermeister dem Fähnchenführer eröffnet haben, »ich kann Ihnen da leider gar nicht helfen, ichweiß nichts, aber scheinbar wird’s so sein, dass Sie hier nicht besonders erwünscht sind.«
    Das ist höhere Politik. Wahrscheinlich anbefohlen von den Bundesforsten, weil das Lager ja mitten im Wald war. Eigentlich waren wir dann die Helden.
    Es gab überhaupt fast keinen Tag, an dem wir nicht in irgendeiner Mission unterwegs waren. Einmal hatten der Weißmann-Franzi und ich einen Einsatz an dem Bacherl, das beim sogenannten Taborberg fließt, dem Hausberg von Wolfsgraben. Auf einmal greift der Franzi ins Wasser, hält mir ein paar Metallstücke hin und sagt: »Das sind Patronen.« Er hat das schon besser gewusst, weil ihm sein Vater viel vom Krieg erzählt hat. Meiner ja weniger.
    »Für was sind Patronen?«, frag ich.
    »Das ist das, was im Gewehr drinnen ist«, sagt der Franzi. »Mit dem kannst du schießen. Wenn’s nicht im Gewehr drinnen ist, passiert nichts.«
    Sicherheitshalber machen wir trotz dieser Erklärung ein Feuer, ein relativ großes. Wir schmeißen die Patronen hinein, gehen in Deckung, sehen, dass wirklich nichts passiert, und schlafen ein. Wie wir aufwachen, ist das Feuer heruntergebrannt, und plötzlich geht’s los. Puff-puff-puff, paff-paff, tschuhi. Wir sind ganz schnell wieder ganz flach gewesen.
    Die Patronen haben uns lange Freude gemacht, die waren ein Hammer. Immer wieder haben wir Feuer gemacht, eins heißer als das andere, und die Patronen dann schon todesmutig auf die Glut gelegt. Es ist nicht so, dass da die Kugeln fliegen, weil das Projektil ja eine Richtung braucht. Meistens hat es nur die Munition zerrissen. Aber manchmal sind Stückerln abgegangen, da hat es die Trümmer schon schön durch die Gegend gepfeffert. Wir haben am Taborberg ein wichtiges Munitionslager entdeckt mit Hunderten Patronen. Heute liegen dort keine mehr. Wir haben alle ins Feuer geworfen. Das war unsere größte Gaudi.
    Und unser Geheimnis. Nicht nur vor den Eltern, vor allen. Insbesondere die Schmuck-Buam hätten uns da nie draufkommen dürfen. Das war unsere Gegenbande. Der Schmuck-Fritzl und sein Bruder,und die Hartwegers, der Fritz und der Max, auch zwei Brüder. Einer war der Moderatere, aber böse waren sie alle. Die Underdogs im Dorf, von denen hältst du dich fern, hat es geheißen. Letztlich waren sie halb so wild. Außerdem waren wir dann schon annähernd zwölf und von einem viel dramatischeren Umstand abgelenkt.
    Der
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