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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen
Autoren: H Fallada
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bis nach der Rübenernte, wird ihnen das Reisegeld nicht abgezogen. Sonst …«
    »Jawohl, jawohl, Panje …«
    »So – und nun ein bißchen dalli! Um zwölf Uhr dreißig geht der Zug. Dalli! Printgo! Verstehen?« Der Rittmeister nickte, eine Last vom Herzen, sogar den drei Gestalten im Hintergrund zu. »Machen Sie jetzt die Verträge fertig. In einer halben Stunde bin ich wieder hier. Will nur mal frühstücken.«
    »Jawohl, Panje!«
    »Dann wäre also alles in Ordnung?« sagte der Rittmeister abschließend. Irgend etwas in der Haltung des andern machte ihn doch stutzig, das ergebene Lächeln erschien ihm plötzlich nicht so ergeben, mehr hinterhältig. »Alles in Ordnung – oder –?«
    »Alles in Ordnung!« beruhigte der Dicke, mit einem raschen Aufleuchten des Blicks zu den andern. »Alles nach den Befehlen vom Panje. Fünfzig Leut – gut, sind sie da! Eisenbahn – zwölf Uhr dreißig – gut, fährt sie ab! Ordentlich, pünktlich, nach Befehl – aber ohne Leut!« Er grinste.
    »Was?!« schrie der Rittmeister fast und verzog sein Gesicht zu tausend Falten. »Was sagen Sie da? Reden Sie deutsch, Mann! Wieso ohne Leute –?!«
    »Und der Herr, der doch so gut kann befehlen, wird er auch befehlen, woher ich nehme die Leut? Fünfzig Leut – gutt, gutt, find sie, mach sie, schnell, fix, printgo, was?!«
    Jetzt sah der Rittmeister sich den Mann doch genauer an. Seine erste Verblüffung war vorüber, auch schon der erste Zorn, da er merkte, er sollte gereizt werden. Der kann ganz gut Deutsch, dachte er, da der andere immer grotesker, überstürzter redete. Der will bloß nicht.
    »Und die dahinten?« fragte er und zeigte auf die drei im Manchester, denen die Zigarre noch immer wie erloschen im Mundwinkel hing. »Sie sind doch Vorschnitter? Kommen Sie doch zu mir! Neue Schnitterkaserne, anständige Betten, keine Wanzenfallen.«
    Einen Augenblick lang kam es ihm jämmerlich vor, daß er sich so anpries. Aber es ging um die Ernte, eines Tages, eines sehr nahen Tages konnte es Regen geben. Ja, es war heute eigentlich schon hier in Berlin wie Gewitter in der Luft. Auf den dicken Schwärzlichen war nicht mehr zu rechnen, mit dem hatte er es verdorben, wohl durch seine Befehlsstimme. »Nun, wie ist es?« fragte er ermunternd.
    Die drei standen bewegungslos, als hätten sie kein Wort gehört. Es waren Vorschnitter, der Rittmeister war seiner Sache sicher. Er kannte diese vorgestoßenen Kinnladen, diese entschlossenen, etwas wilden und doch trüben Blicke der Antreiber von Beruf.
    Der Schwärzliche stand grinsend da, er sah den Rittmeister von der Seite an, sah überhaupt nicht nach den Leuten hin, so sicher war er seiner Sache. (Da ist die Straße und der Punkt, auf den ich sehe. Ich muß entlang!) Laut: »Gute Arbeit –guter Lohn, guter Akkord – gutes Deputat! Wie ist es –?« Sie hörten nichts. »Und für den Vorschnitter dreißig, ich sage, dreißig gute, echte Papierdollars in die Hand!«
    »
Ich
vermittle die Leute!« schrie der Schwärzliche.
    Aber schon zu spät. Die Vorschnitter standen an der Barriere.
    »Nimm meine, Panje! Leute wie Ochsen, stark, fromm …«
    »Nein, nicht die vom Josef. Alles faule Gauner, früh nicht aus den Betten, bei Maruschka stark, bei Arbeit schlapp …«
    »Was redest du, Panje, mit Jablonski?! Ist grade gekommen aus Kittchen, hat mit Messer gestochen Panje Inspektor …«
    »Psia krew, pierunna –!«
    Der eine auf den andern, polnischer Wortsturz – soll es auch hier eine Messerstecherei geben? Der Dicke dazwischen, ununterbrochen redend, gestikulierend, schreiend, zurückdrängend, auch den Rittmeister anfunkelnd – während sich der dritte unvermerkt an den Rittmeister heranpirscht.
    »Gute Papierdollar, wie, was? Dreißig? Bei Abfahrt in die Hand? Sei der Herr um zwölf auf dem Schlesischen, ich auch da, mit Leute. Nichts sagen! Schnell weggehen! Schlechte Leute hier!«
    Und schon ist er wieder bei den andern, die Stimmen schreien, vier Gestalten wanken hin und her, sich zerrend …
    Der Rittmeister ist froh, die Tür nah und unverstellt zu finden. Er tritt erlöst zurück auf die Straße.

5
    Wolfgang Pagel sitzt noch immer am Wachstuchtisch seiner Höhle, wippt mit dem Stuhl, flötet gedankenlos sein ganzes Repertoire an Soldatenliedern und wartet auf den Thumannschen Emaillekaffeepott.
    Seine Mutter unterdessen, in der wohleingerichteten Wohnung an der Tannenstraße, sitzt vor einem schönen, dunklen Renaissancetisch. Auf einer gelblichen Klöppelspitzendecke steht ein
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