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Wohin die Liebe führt

Titel: Wohin die Liebe führt
Autoren: Unbekannter Autor
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wieder ein.
    »Nora«, flüsterte ich, »willst du nichts von dem Baby hören? Ein kleines Mädchen, ein wunderbares, hübsches kleines Mädchen. Sie sieht aus wie du.«
    Aber Nora rührte sich nicht. Sie schlief.
    Ich sah die Schwester an. Nein, das war nicht, wie es sein sollte. In den Büchern war das ganz anders.
    Ich glaube, die Schwester sah mein betroffenes Gesicht, denn sie lächelte teilnehmend. »Das kommt vom Pentothal.«
    »Natürlich«, sagte ich und ging hinaus in den Korridor.
    Ich sah aus dem Fenster. Vielleicht konnte man schon einen Lichtschimmer von der Stadt sehen, dort in der Feme vor dem Flugzeug. San Francisco.
    Es genügt nicht, die Uhr einfach fünfzehn Jahre zurückzustellen. Damit wäre nichts ungeschehen gemacht. Zwanzig Jahre -dann vielleicht.
    1942. Sommer. Und die angeschlagene P-38, die ich flog, beim Sturzflug auf die Schornsteine eines grauschwarzen japanischen Schlachtschiffes zu. Ich hatte plötzlich den sonderbaren Drang, meine Bomben abzuwerfen, aber dann nicht mehr das Höhensteuer zu ziehen, sondern den Bomben hinabzufolgen in die Schornsteine des Kriegsschiffes, um in der kalten See mit ihm zu sterben. Dann hätte es keine Air Medal gegeben, keinen Silver Star, kein Purple Heart. Allenfalls eine Congressional Medal of Honor, wie sie Colin Kelly bekam, der kurz zuvor genau dasselbe getan hatte. Kein Lazarett nachher, keine Heldenrundreise, keine Reden für die Kriegsanleihe, keine Berühmtheit.
    Denn dann hätte es keinen Luke Carey mehr gegeben, und ich würde jetzt nicht nach San Francisco kommen, genau wie ich damals nicht hingekommen wäre. Denn ich wäre tot gewesen und hätte Nora nicht kennengelernt, und Danielle wäre nicht geboren worden. Fast zwanzig Jahre. Und vielleicht hätten nicht einmal die genügt. Ich war damals so jung. Jetzt war ich müde. Ich schloß ein paar Sekunden lang die Augen.
    Bitte, Gott, gib mir die Zeit zurück.
    Zweiter Teil: Handelt von Nora
    Abgedroschen, aber wahr: Die Zeit lehrt Perspektive. Wenn man in den Gefühlen der Gegenwart gefangen ist, hat man nicht den richtigen Blick. Weil man wie ein Blatt ist, das vor den Herbststürmen dahertreibt, gejagt von den Dämonen, von denen man besessen ist. Die Zeit betäubt die Dämonen des Hasses und der Liebe. Manchmal tötet sie sie sogar. Sie läßt nur den dünnen Faden der Erinnerung bestehen, so daß man durch das Schlüsselloch der Vergangenheit spähen und vieles sehen kann, was man zuvor nicht gesehen hat.
    Jetzt machte das Flugzeug einen weiten Bogen über der Stadt und setzte zur Landung an. Ich schaute zum Fenster hinaus, sah die Lichter der Stadt und die Perlenschnüre ihrer Brücken, und plötzlich spürte ich, daß die Schmerzen und die Furcht, die mich bei dem Gedanken an eine Rückkehr hierher erfüllt hatten, verflogen waren. Sie lagen tot in der Vergangenheit bei den andern Dämonen, von denen ich damals besessen war.
    In diesem Augenblick verstand ich auch, warum Elizabeth darauf bestanden hatte, daß ich nach San Francisco fliegen sollte - und ich war ihr dankbar dafür. Sie hatte diesen Weg gewählt, um meine Teufel auszutreiben, damit ich wieder mir selbst gehörte, befreit von meiner Schuld und meinen Qualen.
    Die Reporter waren da mit ihren Kameras, aber sie waren in dieser frühen Morgenstunde ebenso müde wie ich. Nach ein paar Minuten ließen sie mich gehen. Ich versprach ihnen für eine spätere Stunde einen ausführlicheren Bericht.
    Bei Hertz mietete ich den billigsten Wagen, der zu haben war, und fuhr in die Stadt zu einem neuen Motel, das sie auf Van Ness gebaut hatten, gegenüber der Straße, wo »Tommy’s Joynt« lag. Das Zimmer war klein, aber bequem, in diesem antiseptischen Stil, den die Motels anstreben.
    Zuerst rief ich Elizabeth an. Als ich ihre Stimme hörte - warm von unserm Bett -, wie sie der Vermittlung erklärte, daß sie das R-Gespräch nicht annehme, wollte ich schnell ein paar Worte des Dankes sagen. Aber schon beim ersten Wort war die Verbindung abgebrochen.
    Vor den Fenstern stand der Morgen. Ich ging hinüber und sah hinaus. Nördlich, den Bergen zu, konnte ich in den grauen Dunstschwaden den Turm des Mark Hopkins in den Himmel ragen sehen. Ich versuchte mehr zu erkennen, ein paar Blocks weiter westlich eine wohlbekannte weiße Fassade und ein schiefergedecktes Walmdach. Das Haus, in dem ich damals wohnte. Das Haus, in dem jetzt Nora vermutlich schlief. Schlief, in ihrer seltsamen, traumerfüllten, absonderlichen Welt.
    Von irgendwoher, weit her,
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