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Wohin die Liebe führt

Titel: Wohin die Liebe führt
Autoren: Unbekannter Autor
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und nickte beifällig. Dann ging sie weiter, um nachzusehen, ob auch die übrigen Passagiere sich angeschnallt hatten.
    Ich sah auf meine Uhr. Vier Uhr dreißig Chicagoer Zeit. Ich stellte meine Uhr zwei Stunden zurück. Jetzt war es an der Pazifikküste zwei Uhr dreißig.
    Ich lächelte im stillen. Es war so leicht. Einfach den Zeiger drehen - und man hatte zwei Stunden, die man noch einmal erleben konnte. Warum eigentlich, wenn das so leicht war, hatte noch niemand eine Maschine erfunden, die es mit den Jahren ebenso machte?
    Dann könnte ich sie um sechs Jahre zurückstellen, und Dani wäre nicht dort, wo sie heute nacht war. Nein, ich würde die Uhr fast fünfzehn Jahre zurückdrehen, bis zu der Nacht, in der Dani geboren wurde. Ich dachte an die Stunden in der Klinik. Gerade um diese Nachtstunde hatte man Nora in den Entbindungsraum gebracht.
    »Bleiben Sie nicht zu lange«, hatte der Arzt gesagt, als ich in ihr Zimmer gehen wollte. »Sie ist sehr müde.«
    »Wann kann ich das Baby sehen?«
    »In zehn Minuten. Klopfen Sie nur an das Fenster des Säuglingszimmers. Die Schwester wird es Ihnen zeigen.«
    Ich trat auf den Korridor zurück und schloß die Tür hinter mir. »Ich möchte zuerst das Kind sehen. Nora wird gern wissen wollen, wie es aussieht. Sie wäre verstimmt, wenn ich’s ihr nicht beschreiben könnte.«
    Der Doktor sah mich spöttisch an und zuckte mit den Schultern. Nicht sehr viel später sollte ich erfahren, daß Nora ihr Kind im Entbindungsraum keines Blickes gewürdigt hatte.
    Als die Pflegerin den Vorhang aufzog und meine kleine Tochter hochhob, war ich hingerissen. Dieses kleine, rote schrumplige Gesicht, diese glänzenden schwarzen Haare, diese Finger-chen, die zu zornigen Fäustchen geballt waren - ich war hingerissen.
    Aber etwas in mir begann zu schmerzen. Ich spürte die ganze Qual des Geborenwerdens, den ganzen Schock, den dieses winzige Wesen in den letzten Stunden erlitten hatte. Ich sah hinunter zu meiner Tochter, und da wußte ich, noch ehe sie Augen und Mund aufmachte, was sie nun tun würde. Wir waren aufeinander abgestimmt, auf der gleichen Wellenlänge, waren ineinandergefügt, und sie gehörte mir, und ich gehörte ihr. Wir waren eins. Und in meine Augen traten die Tränen, die sie noch nicht weinen konnte.
    Dann zog die Schwester den Vorhang wieder zu, und ich war plötzlich allein. Allein, als stünde ich am Strand des Meeres, und eine Welle schwarzer Nacht flutete über mich hin. Ich blinzelte ein paarmal, und dann war ich wieder im Korridor der Klinik. Ich klopfte leise an Noras Tür. Eine Schwester öffnete mir. »Darf ich sie jetzt sehen?« flüsterte ich. »Ich bin ihr Mann.«
    Mit dem merkwürdig toleranten Blick, den die Schwestern
    anscheinend für die Väter reserviert haben, nickte sie und trat beiseite. »Bleiben Sie nicht zu lange.«
    Ich ging hinüber zum Bett. Nora schien zu schlafen, ihr schwarzes Haar war über das weiße Kissen gebreitet. Sie sah blaß und matt aus und irgendwie hilfloser und zerbrechlicher, als ich sie mir je hätte vorstellen können. Ich beugte mich vor und küßte sie behutsam auf die Stirn.
    Sie schlug die Augen nicht auf, aber ihre Lippen bewegten sich.
    »An die Ruder! Die freie französische Flotte ergibt sich nicht!«
    Ich sah über das Bett hinweg auf die Schwester und lächelte. Behutsam drückte ich Noras Hand, die auf der Decke lag.
    »Die freie französische Flotte ergibt sich nicht!«
    Jetzt lächelte auch die Schwester. »Es ist das Pentothal, Mister Carey. Manchmal sagen die Damen die sonderbarsten Dinge.«
    Ich nickte und drückte nochmals Noras Hand.
    Ein seltsamer Ausdruck von Angst flog über Noras Gesicht. »Tu mir nicht weh, John!« flüsterte sie heiser. »Ich werde alles tun, was du willst. Aber bitte. tu mir nicht weh!«
    »Nora!« sagte ich rasch, »Nora. Ich bin es. Luke.«
    Plötzlich schlug sie die Augen auf. »Luke!« Der Schatten der Angst verflog. »Ich hatte so einen schrecklichen Traum!«
    Ich legte den Arm um sie. Nora hatte immer schreckliche Träume. »Schon gut, Nora«, murmelte ich. »Jetzt ist alles gut!«
    »Ich habe geträumt, daß mir jemand die Hände brechen wollte! Es war fürchterlich. Alles - nur nicht meine Hände. Ohne sie wäre ich nichts. nichts.«
    »Es war nur ein Traum, Nora. Nur ein Traum.«
    Sie hob die Hände und betrachtete sie. Lang und schmal und
    sensibel. Sie sah zu mir auf und lächelte. »Bin ich nicht dumm? Natürlich sind sie heil und ganz.« Sie schloß die Augen und schlief
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