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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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und dankbarer sein als ich.«
    Jo spürte, wie ihr die Tränen in den Augen brannten.
    »Für jeden ist es ein Triumph, den Melbourne Cup zu gewinnen. Doch ich meine nicht nur Jos Fähigkeiten, gute Rennpferde auszubilden, oder ihr Näschen, was das Aufstöbern ausgezeichneter Jockeys angeht«, fuhr Charlie mit einem raschen Blick auf Damien fort. »Ich spreche von einem anderen wichtigen Rennen, dem Rennen des Lebens, bei dem ich beinahe auf der Strecke geblieben wäre.«
    Er trat von einem Fuß auf den anderen. Nina, die neben ihm stand, beobachtete ihn besorgt. Elaine, die behandschuhten Hände fest ineinander verschränkt, musterte sein Gesicht.
    »Wir Kingsfords sind für unseren Stolz und unseren Starrsinn bekannt. Aber auf niemanden trifft das mehr zu als auf Jo. Sie hat sich geweigert, sich damit abzufinden, dass ihr alter Herr ein Leben lang an den Rollstuhl gefesselt bleiben sollte. Außerdem hat sie nie geglaubt, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe, als ich nur unverständliches Zeug nuscheln konnte.« Er hielt inne.
    Das Publikum schwieg und verharrte reglos wie bei einem Standfoto, und alle lauschten aufmerksam Charlies Worten. Selbst der Wind hatte sich gelegt. Nur in der Ferne erklang eine Autohupe.
    »Ich war völlig ratlos, aber Jo hat niemals lockergelassen. Sie war fest davon überzeugt, dass ich in die Kingsford Lodge gehöre, und dort hat sie mich wieder hingeschleppt, sosehr ich mich auch gesträubt habe.« Diesmal zeugte das Lachen von Anteilnahme und Bewunderung. Mit liebevollem und stolzem Blick drehte Charlie sich zu Jo um. »Eigentlich hatte ich mir geschworen, mich erst wieder in der Öffentlichkeit zu zeigen, wenn ich mich ohne Gehhilfe fortbewegen kann. Doch heute, Jo, beuge ich mich deinen Wünschen. Ich ziehe den Hut davor, wie tapfer du dich nach dem plötzlichen Tod deines Zwillingsbruders Rick geschlagen hast. Du hast deine Mutter und deinen älteren Bruder in der Stunde der Not unterstützt und mit deinem Mut die Kingsford Lodge gerettet. Vor allem jedoch verneige ich mich vor deiner Unbeirrbarkeit, denn ohne sie würde ich heute nicht hier stehen, weder mit noch ohne Krücken.« Von Rührung ergriffen, hielt Charlie inne. Die Zuschauer wischten sich die Augen. Nina presste ihr Taschentuch an die Lippen.
    »Nur selten kommt es vor, dass ein Vater Gelegenheit erhält, seinen Kindern öffentlich zu sagen, wie sehr er sie bewundert. Normalerweise neige ich nicht zu Gefühlsausbrüchen, aber heute, Jo, sollst du wissen, wie unglaublich stolz deine Mutter und ich auf dich sind. Dein sturer alter Vater hat nie einsehen wollen, dass du Pferde ebenso liebst und verstehst wie er und dass du über das besondere Talent verfügst, sie zu Siegern zu machen. Aber nun habe ich dank deiner Bemühungen endlich begriffen, dass du wirklich das Zeug dazu hast. Deinetwegen konnte ich wieder in die Welt zurückkehren, die ich so sehr liebe. Was die Zukunft der Kingsford Lodge betrifft, nun ...« Er wandte sich dem Publikum zu, »da müssen Sie den Boss fragen.«
    Alle applaudierten, doch Charlie bat mit einer Geste um Ruhe und griff dann nach Jos Hand. Jo zwinkerte und biss sich auf die zitternde Unterlippe. Sie konnte kaum fassen, was ihr Vater sagte. Das waren die Worte, die sie so lange herbeigesehnt hatte.
    »Jo, du hast in deinem Glauben an mich und in deiner Unterstützung unserer Familie nie geschwankt oder gezweifelt. Deine Mutter und ich gratulieren dir zu deinem heutigen Sieg. Er ist ganz allein dir zu verdanken. Heute ist dein Tag. Genieße ihn. Wir lieben dich«, schloss Charlie mit vor Rührung belegter Stimme. Dann trat er zurück und klatschte Jo Beifall.
    Auf ein kurzes Schweigen folgte donnernder Applaus. Jo hielt den Pokal hoch in die Luft und lächelte erst ihren Vater und anschließend die Zuschauer unter Tränen an. Während die Menge weiter Beifall spendete, umarmte sie Charlie.
    »Ich liebe dich, Dad«, flüsterte sie unter Tränen.
    Nach der Preisverleihung verließen alle die Bühne. Jo, Charlie, Nina und Elaine fielen einander um den Hals, und alle beglückwünschten Let’s Talk zu seinem Erfolg.
    »Das habe ich wirklich ernst gemeint«, sagte Charlie, nachdem Jo sich die Augen getrocknet hatte.
    »Danke, Dad. Ich freue mich so, dass du gekommen bist. Ich liebe dich sehr. Du weißt gar nicht, wie sehr ich mir gewünscht habe, du würdest hier sein.«
    »Ich hatte nicht vor, mir so ein Ereignis entgehen zu lassen«, erwiderte Charlie mit zitternder Stimme und
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