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Woge der Begierde

Woge der Begierde

Titel: Woge der Begierde
Autoren: Shirlee Busbee
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sich, an etwas anderes zu denken als an die Schrecken, die sie vielleicht gerade durchlebte, und stieg rasch weiter, von der roten, immer wieder unterbrochenen Linie geführt.
    Er kam an die erste Abzweigung und leuchtete mit seinem Licht die Treppe hoch. Er war sicher, dass Daphne ihm ein Zeichen hinterlassen hatte und untersuchte den Anfang
des Ganges und die Treppe, auf der er stand. Ein Blutstrich auf der Wand neben den Stufen wies ihm die Richtung, und er eilte weiter nach oben.
    Rasch folgte er Daphnes immer schwächer und seltener werdenden Zeichen auf der Wand. Die Treppe endete jäh an einer Abzweigung mit einer anderen Treppe. Er betrat sie, blieb stehen und schaute sich um. Es sah irgendwie vertraut aus. Erstaunt begriff er, dass er auf der Treppe stand, die er und Daphne entdeckt hatten. War es gestern erst gewesen? Er schaute zurück auf den Absatz unter ihm und erinnerte sich wieder daran, dass sie an so einer Stelle auf dem Weg zum Wehrgang vorbeigekommen waren. Er betrachtete die Stufen einen Moment. In welche Richtung sollte er sich wenden? Nach oben auf den Wehrgang oder nach unten ins Erdgeschoss?
    Da entdeckte er ein Taschentuch auf einer Stufe ein Stück über ihm, wo er stehen geblieben war, und sandte ein Stoßgebet gen Himmel. Einmal mehr hatte seine tapfere süße Frau ihren Erfindungsreichtum bewiesen. Er stürmte die Stufen hoch, lief zu dem Wehrgang. Oben angekommen blieb er stehen. Wenn Raoul auf ihn wartete, konnte es sich als fataler Nachteil erweisen, wenn er beide Hände voll hatte, mit Laterne und Pistole. Zögernd stellte er die Lampe hin und wappnete sich für das, was ihn erwartete.
     
    In dem grauen Dämmerlicht, das auf die Stufen fiel, erkannte Daphne, wo sie waren. Und es verhalf ihr zu einem ersten Blick auf ihren Peiniger. Als sie sein verdrehtes Bein sah, als er sie die letzten Stufen hinter sich herzog, begriff sie, weshalb er hinkte. Sein linkes Bein war gebrochen gewesen und nicht sachgemäß gerichtet und geschient worden, sodass es nicht richtig verheilen konnte.

    Er zerrte sie mit sich auf den Wehrgang in den Nieselregen. Sein Blick zuckte nervös von einer Seite zur anderen. Er war auf der Hut, durch irgendetwas verstört. Nicht ängstlich, aber irgendwie gewarnt, als spürte er, dass eine Macht am Werke war, die ihn an diese Stelle geführt hatte.
    Er würde später darüber nachdenken, aber jetzt musste er erstmal aus dem Sturm kommen und sich auf Charles’ Eintreffen vorbereiten, weil der auf jeden Fall auf dem Weg hierher war. Sein Blick fiel auf den steinernen Turm, und sein Griff um Daphnes Arm festigte sich, als er darauf zuging.
    Daphne stemmte sich dagegen, zerrte an seinen Fingern um ihr Handgelenk, die sie gefangen hielten. Eine Klinge blitzte vor ihren Augen, und Raoul erklärte: »Ich kann dich ebenso leicht gleich jetzt töten statt später. Mach mir Probleme, und du wirst sterben, ehe du nur einmal Luft holen kannst.« Er fuhr mit dem Messer ganz sachte über ihren Hals. »Und das willst du doch nicht, oder? Nein, du willst hoffen, dass Charles kommen wird, nicht wahr?« Er lächelte. »Ihr Frauen, ihr seid doch alle gleich, was? Und du wirst alles tun für noch einen Atemzug, alles, um nur eine Sekunde länger zu leben.« Er zog sie näher und streifte ihre Wange mit seinen Lippen. »Ich habe nie zuvor eine Frau aus meiner eigenen Klasse gehabt, aber ich nehme an, du wirst dich nicht viel anders verhalten als die anderen, Schätzchen. Wenn ich dich erst einmal nackt unter meinem Messer habe und du dich in Furcht windest, wirst du flehen und betteln, so, wie sie es getan haben.«
    Er war, erkannte sie mit einem Gefühl der Übelkeit, wirklich ein Ungeheuer. Doch bis auf diese leeren Augen sah er gar nicht so aus. Er war so groß wie ihr Gatte, hatte denselben Körperbau und dieselben Farben, bis auf die schwarzen Augen; er sah Charles ähnlich, auch wenn es nicht so
ausgeprägt war wie bei Julian. Sie fragte sich, warum er, mit seinem Aussehen, seinem Rang und seinem Reichtum sich dafür entschieden hatte, zu verstümmeln und zu morden.
    »Warum?«, fragte sie ohne lange Vorrede. »Warum tun Sie das?«
    Er lächelte und sagte leise: »Weil ich es mag.«
    Ihr war kalt, und als Raoul an ihrem Handgelenk zog, folgte Daphne ihm auf den Wehrgang, obwohl sie sich dafür hasste.
    Die erste Regenfront war weitergezogen, und obwohl Wind und Regen nachgelassen hatten, dräuten am Horizont schwarze Wolken. Das Unwetter war nicht vorbei. Über ihnen war der
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