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Wofuer die Worte fehlen

Wofuer die Worte fehlen

Titel: Wofuer die Worte fehlen
Autoren: Carolin Philipps
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der Ritter einen schwarzen, seidenen Umhang, der leicht und locker den Lederpanzer umhüllt. Sein Gesicht bedeckt eine schwarze Maske, die nur Öffnungen für Mund und Nase und zwei schmale Sehschlitze für die Augen frei lässt. Der Schwarze Ritter zeigt sein Gesichtnicht; er muss unentdeckt bleiben. Über der Maske leuchten grell seine schneeweißen Haare, die in sanften Wellen bis auf die Schultern fallen.
    Â»Weiße Haare sind das Zeichen für das Böse. Ist dein Ritter ein Bösewicht?« Frau Bartsch, die sich in dieser Stunde darauf beschränkt, durch die Reihen zu gehen und ihren Schülern Tipps zu geben, schaut ihm über die Schulter.
    Kristian schüttelt den Kopf. »Das kann man so nicht sagen. Er hat zwei Leben. Am Tage ist er ein normaler Mensch. Da hat er eine Zimmererwerkstatt und arbeitet den ganzen Tag.«
    Â»Ach, deshalb sein Name. ›Takumi, der meisterhafte Handwerker.‹ Deine Geschichte wird offenbar ein Gesamtkunstwerk.«
    Â»Und was passiert dann nachts?«, will Sakura wissen, die neben Kristian sitzt und seinen Ritter neugierig betrachtet.
    Â»Nachts, da verwandelt er sich in den Schwarzen Ritter.«
    Â»Okay, und was macht er dann?«
    Â»Er … er geht auf die Jagd!«
    Â»Auf die Jagd? Aber was jagt er?«
    Kristian schweigt. Auch die anderen schauen inzwischen neugierig zu ihm herüber.
    Â»Komm schon, Kristian, lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!«, meint Frau Bartsch. »Es ist wichtig, dass man über seine Figuren redet. Nur so kann man feststellen, ob sie beim Publikum ankommen.«
    Kristians Bauch fängt an zu grummeln. Ihm wird übel, er schwitzt. »Ich muss mal aufs Klo!«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, rennt er aus dem Raum hinaus. Niemand lacht, niemand macht eine dumme Bemerkung. Die Schüler im Zeichenkurs kennen sein Problem zum Glück nicht – noch nicht. Auch das ist ein Grund, warum er sich hier so wohlfühlt.
    Frau Bartsch schaut ihm nachdenklich hinterher.
    Als er zurückkommt, ist er froh, dass die Lehrerin mit anderen Kindern beschäftigt ist und die Frage nach der Beute des Schwarzen Ritters in Vergessenheit geraten ist. Ihren Blick, der immer wieder zu ihm zurückkehrt und etwas sorgenvoll auf ihm liegt, bemerkt er nicht.
    Kristian zeichnet weiter. Aus Takumis Ohren sind Sensoren ausgefahren. Wie Schmetterlingsfühler stehen sie vom Kopf ab. Mit ihnen kann der Schwarze Ritter im Umkreis von vielen Kilometern seine Beute ausfindig machen. Takumis Hände stecken in weißen Handschuhen. Alles, was er mit diesen Händen berührt, erstarrt zu Stein. Ist seine Beute zu weit weg, sendet er gleißend helle Lichtstrahlen aus seinen Augen, die die Beute blenden und sie willenlos machen, bis der Schwarze Ritter herangekommen ist und sie berühren kann.
    Takumi, der Schwarze Ritter, ist der Herrscher der Nacht.
    Die zweite Hauptfigur in Kristians Geschichte ist Masaru, vierzehn Jahre alt. Er ist groß für sein Alter und hat ursprünglich kurze, blonde Haare und eine Stupsnase gehabt.
    Â»Er sieht aus wie du!«, hat Sakura gerufen, als sie Kristians Zeichnung das erste Mal sah.
    Daraufhin bekam Masaru schulterlange, schwarze Haare, riesengroße schwarze Kulleraugen und eine gebogene Nase. Eine Ähnlichkeit darf es nicht geben.
    Masaru lebt als Sklave im Haus des Schwarzen Ritters. Und obwohl der ihn oft schlecht behandelt, bewundert Masaru ihn, weil er so stark und unbezwingbar ist. Er bewundert ihn, obwohl Masaru als Einziger das Geheimnis des Schwarzen Ritters kennt.
    Masaru fürchtet den Moment, wenn die Sonne am Horizont verschwindet und die Dunkelheit hereinbricht, den Moment, wo der Schwarze Ritter das Haus verlässt, um auf die Jagd zu gehen. Jeden Abend wünscht sich Masaru nichtssehnlicher, als dass Takumi draußen die Beute aufspürt, die er braucht, ohne die er keine Ruhe findet.
    Den ganzen Abend steht Masaru am Fenster und schaut hinaus in die Dunkelheit. Ängstlich horcht er auf jedes Geräusch, fürchtet den Moment, wenn der Schwarze Ritter zurückkommt. Denn wenn er mit leeren Händen kommt, sucht er sich im Haus seine Beute.
    Masaru hasst den Schwarzen Ritter für das, was er im Schutz der Dunkelheit tut. Manchmal ist Masarus Hass so stark, dass er davonlaufen möchte. Einmal hat er es versucht, vergeblich. Die Strahlen aus Takumis Augen durchdringen jeden Winkel, jede Mauer. Sie fanden ihn und ließen ihn
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