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Wofuer die Worte fehlen

Wofuer die Worte fehlen

Titel: Wofuer die Worte fehlen
Autoren: Carolin Philipps
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fröhliche Stimmung im Raum droht zu zerbrechen. Da wechselt die Mutter schnell das Thema und erzählt erneut von Oma Herta, der es wieder besser geht. Obwohl sie das alle schon wissen, hören sie aufmerksam ein zweites Mal zu, dankbar, dass der schöne Familienabend nicht mit einem Missklang endet.
    Â»Das nächste Mal versuche ich ganz bestimmt, Urlaub zu nehmen!«, verspricht Onkel Vladimir und Tante Irina nickt zustimmend. »Dann kann ich Mutter betreuen.«
    Kristians Mutter seufzt. »Das hast du schon so oft versprochen.« Sie glaubt nicht daran, dass ihr Bruder sein Versprechen wahr machen wird, und auch Kristian hat große Zweifel. »Ich nehme Urlaub!« – »Das nächste Mal fahre ich!« Diese Sprüche kann er schon nicht mehr hören, denn immer wenn es darauf ankam, wenn der von Kristian gefürchtete Anruf aus der Slowakei kam, dann hatte Onkel Vladimir keine Zeit und es blieb an seiner Mutter hängen. Immerhin ersetzte Onkel Vladimir der Mutter einen Teil der Fahrtkosten. Die verlorene Zeit für Kristian ersetzte niemand.
    Â»Na, wie läuft es denn in der Schule?« In freundlichem Plauderton wendet sich Tante Olga – auch sie bemüht um neutrale Themen – an Eva.
    Kristian sendet Eva verzweifelte Blicke zu, aber die übersieht sie absichtlich. Eva findet ihren Cousin einfach nur peinlich. Sie fürchtet, dass sein Verhalten auch ihr Image bei den Klassenkameraden schädigt. Wer hat schon gerne einen Cousin, der ständig vom Stuhl fällt und aufs Klo rennt?
    Und so schaut sie Kristian nur verächtlich an und breitet dann genüsslich und in aller Ausführlichkeit die Erlebnisse des heutigen Schultages vor der ganzen Familie aus.
    Â»Du sollst doch nicht mit dem Stuhl kippeln! Mein Gott, Junge. Das ist gefährlich!« Die Mutter schüttelt sich bei dem Gedanken, was alles hätte passieren können.
    Â»Du musst mit ihm zum Arzt!«, meint Tante Irina.
    Â»Das hat unser Lehrer auch gesagt! Die Klasse findet, er sollte Pampers tragen!« Eva kichert bei der Erinnerung an den Aufruhr, für den Kristian in der Schule gesorgt hat.
    Â»Das ist gar nicht witzig! Du solltest dich schämen!« Katarina, die es noch nie ertragen konnte, wenn jemand ihrenkleinen Bruder angriff, besteht darauf, dass Eva sich bei Kristian entschuldigt.
    Kristian sitzt mit hochrotem Kopf da und hätte am liebsten die ganze Sliwowitzflasche ausgetrunken, um die peinliche Situation nicht mehr zu spüren.
    Während die Mutter und seine Tanten auf ihn einreden, gießt sich Onkel Vladimir einen weiteren Sliwowitz ein. Als er dem Vater einen anbieten will, schüttelt der nur den Kopf. Kristian beobachtet mit schmerzendem Bauch, wie sein Vater mit verschränkten Armen am Fenster steht und in die Dunkelheit schaut.
    Wieder einmal hat er den Vater enttäuscht.
    Kristian ist erleichtert, als lautes Babygeschrei ins Wohnzimmer dringt und für einen Moment die Aufmerksamkeit von ihm ablenkt. Der kleine Tobias ist aufgewacht.
    Katarina springt auf. »Er hat nur Durst. Ein bisschen Fencheltee und er schläft weiter. Magst du ihm die Flasche geben?«
    Â»Ich?« Kristian schaut sie verwundert an. »Aber ich …«
    Â»Ja, du! Männer können das nicht früh genug lernen! Los, auf mit dir!«
    Normalerweise hätte Kristian laut protestiert. Babys interessieren ihn keine Spur. Sie schreien ständig, machen in die Hose und haben immerzu Hunger.
    Â»Ich kann das doch machen! Ich liebe Babys.« Noch ehe Eva sich ganz vom Sofa erhoben hat, ist Kristian schon an der Tür. Wenn Babyfüttern heißt, Eva zu ärgern, dann hat er jetzt doch Lust darauf.
    In der Küche erwartet ihn Katarina schon. Sie drückt ihm die warme Teeflasche in die Hand. »Manchmal hast du ’ne Blockade im Gehirn. Ich dachte, du bist vielleicht froh, wenn du dem gesammelten Angriff der Familie entkommen kannst.« Sie legt den Arm um ihn. »Lass dich nicht unterkriegen!Und wenn es ganz schlimm wird, hier ist immer ein Platz für dich. Aber hör auf mit dem Trinken! Du benebelst dein Gehirn, aber du änderst nichts.«
    Kristian nickt. Das weiß er doch. Sein Kopf weiß es, aber manchmal tut er eben doch das, was sein Bauch braucht. Er folgt Katarina mit der Teeflasche in der Hand ins Kinderzimmer. Sie nimmt Tobias aus dem Bett und legt ihn Kristian in den Arm.
    Â»Immer schön den Kopf stützen. Keine hektischen
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