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Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
Autoren: Jonathan Kellerman
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die Hand gedrückt. Ich sollte es lesen, damit ich wusste, worum’s ging. Dann sollte ich den Fiesling markieren. Eigentlich kein schlechter Job. Vor sechs Monaten bin ich bei einer anderen Talk-Show als Vater aufgetreten, der seine Kinder missbraucht hat und es nicht bereut. Billiger Bart und Sonnenbrille und ein Hemd, mit dem ich mich nie sehen lassen würde, aber trotzdem hatte ich noch Schiss, irgendein Idiot auf der Straße könnte mich erkennen und zusammenschlagen.«
    »Machen Sie so etwas oft?«
    »Nicht so oft, wie ich gern würde. Die zahlen immerhin
fünf- bis sechshundert Dollar. Egal, ich sage ja nicht, es sei abwegig von Ihnen, mich unter die Lupe zu nehmen. Aber ich bin nicht der böse Wolf. An dem Abend, als sie ermordet wurde, war ich draußen in Costa Mesa und habe im ›Mann von La Mancha‹ mitgespielt. Vierhundert Senioren haben mich gesehen. Ich kann Ihnen die Nummer des Produzenten geben.«
    Er diktierte mir die Telefonnummer und sagte dann: »Ein Jammer.«
    »Was?«
    »Dass sie ermordet wurde. Ich habe sie nicht gemocht, aber sie war clever, ist mit mir und dem Blödsinn, den ich da verzapft habe, locker fertig geworden. Sie würden staunen, wie viele mit so was nicht umgehen können, selbst wenn sie wissen, was da abläuft.«
    »Dann wusste sie also Bescheid?«
    »Na klar. Wir haben zwar nicht geprobt, aber vor der Sendung wurden wir einander vorgestellt. Ich habe ihr gesagt, ich würde mich aufführen wie Frankenstein, und sie meinte, okay.«
    »Wieso haben Sie sie dann nicht gemocht?«
    »Weil sie versucht hat, mich psychologisch fertigzumachen. Kurz vor der Sendung. Solange die Produzentin da war, hat sie ganz freundlich getan. Aber kaum waren wir allein, kam sie an und hat mir leise was ins Ohr geflüstert - fast verführerisch. Hat mir erzählt, sie hätte schon viele Schauspieler kennengelernt, und alle wären sie psychische Wracks gewesen. Unzufrieden mit ihrer Identität, hat sie gesagt. ›Sie spielen ihre Rollen, um sich sicher zu fühlen.‹« Er lachte. »Stimmt natürlich, aber wen interessiert’s?«
    »Glauben Sie, sie wollte Sie einschüchtern?«
    »Und ob sie mich einschüchtern wollte, aber wozu? Das Ganze war doch bloß verlogener Mist. Ein Schaukampf. Sie
war die Schöne, ich war das Biest. Sie würde mich fertigmachen, das wussten wir beide. Warum also noch einen draufsetzen?«
    Rollen spielen, um sich sicher zu fühlen.
    Kleine Schubladen.
    Vielleicht hatte Hope sich selbst als Schauspielerin gesehen?
    Als ich nach Hause kam, rief ich den Produzenten der Aufführung in Costa Mesa an. Seine Assistentin bestätigte, dass Karl Neese tatsächlich am Mordabend dort auf der Bühne gestanden hatte.
    »Das Stück war ganz erfolgreich«, sagte sie. »Gut besucht.«
    »Läuft es noch?«
    »Nein. In Kalifornien ist nichts von Dauer.«
     
    Um zehn vor fünf rief Milo an. »Habt ihr Proteine im Haus?«
    »Bestimmt.«
    »Treib welche auf. Das Jagdfieber brennt in meinem Körper, und ich hab’ Hunger.«
    Er klang begeistert.
    »Hat der Besuch beim Dekan was gebracht?«, fragte ich. »Füttere mich, und ich verrate es dir. Ich bin in einer halben Stunde da.«
    Ruth und ich waren gerade einkaufen gewesen, und der neue Kühlschrank war doppelt so groß wie der alte.
    Ich machte ihm ein Roastbeef-Sandwich. Die weiße Küche kam mir riesig vor. Zu groß, zu weiß. Ich musste mich noch immer an das neue Haus gewöhnen.
    Das alte hatte aus silbrigem Redwood-Holz, verwitterten Schindeln, farbigem Glas und schiefen Winkeln bestanden. Ich hatte es vor Jahren gekauft, weil ich mich in die Lage verliebt hatte. Zwischen den Hügeln von Beverly Gien und durch einen Wald vor neugierigen Blicken geschützt. Es lag
so einsam, dass ich mehr Kojoten als Menschen zu Gesicht bekam.
    Diese Abgeschiedenheit war dem Psychopathen sehr gelegen gekommen, der das Haus in einer trockenen Sommernacht anzündete. »Zunder auf einem Fundament«, hatte der Branddirektor es genannt.
    Ruth und ich hatten beschlossen, neu zu bauen. Nach einigen Fehlschlägen mit unzuverlässigen Bauunternehmern übernahm sie schließlich selbst die Bauleitung. Am Ende bezogen wir ein riesengroßes Haus mit weißem Außenputz und grauem Keramikziegeldach, gelaugten Holzböden und -treppen, Messinggeländern, Oberlichtern und zahllosen Fenstern. Im hinteren Teil des Anwesens lag Ruths Werkstatt, in die sie jeden Morgen fröhlich hinüberging, begleitet von Bully, unserer französischen Bulldogge.
    Ruth liebte das neue Haus. Die wenigen
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