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Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
Autoren: Jonathan Kellerman
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Besucher waren begeistert. Ich hatte nur genickt und gelächelt und dabei an den modrigen Geruch von altem Holz am Morgen gedacht, an die arthritischen Flügelfenster, an das Knarren von gebohnerten Kiefernholzbohlen.
    Ich hatte gerade den Kaffee aufgesetzt, als es schellte.
    Beim Blick durch den Türspion sah ich Milos fülliges Gesicht und machte auf. Er hatte seinen Zivilwagen schräg hinter Ruths Pick-up geparkt. Aus der Werkstatt drang das Geräusch einer Motorsäge und Bullys Hilfe-ich-ersticke- Bellen.
    Milo putzte sich die Schuhe an der Fußmatte ab und stapfte ins Haus. Wie im alten so war auch im neuen Haus die Küche der Ort, der Milo magnetisch anzog. Als ich nachkam, saß er bereits am Tisch, eine Tüte Milch in der einen und das Sandwich in der anderen Hand.
    Mit drei Bissen war es weg.
    »Noch eins?«

    »Nein, danke - oder doch, warum nicht.« Er hob die Milchtüte an die Lippen, leerte sie und tätschelte sich dann den Bauch. Er trank zur Zeit keinen Alkohol und hatte etwas abgenommen, war vielleicht auf etwa 110 Kilo. Das meiste davon hatte sich um die Taille und in seinem Gesicht angesetzt. Die langen Beine, die ihn auf die respektable Größe von fast einem Meter neunzig streckten, waren nicht gerade dünn, wirkten aber so durch die Körperfülle.
    Während ich das zweite Sandwich belegte, fischte er Papiere aus seiner Aktentasche.
    Meine Jagdbeute: die Liste möglicher Feinde.« Er wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen.
    Ich stellte ihm das Essen auf den Tisch, und er kaute nach Herzenslust. »Köstlich. Weißt du was, durch die Arbeit an diesem Fall habe ich angefangen, mir Gedanken darüber zu machen, wie Männer und Frauen miteinander umgehen. Früher habe ich gedacht, dieser ganze Geschlechterkrieg ginge mich nichts an, aber in Wahrheit hat man uns alle, die wir mit Y-Chromos omen geboren wurden, zu kleinen Wilden erzogen, stimmt’s? Jedenfalls war ich beim Dekan, was gar nicht so leicht war. Erst als ich damit drohte, der Presse von diesem Disziplinarausschuss zu erzählen, ließ man mich sofort ins Allerheiligste. Er bietet mir einen Kaffee an, schüttelt mir die Hand.Warmes Fächeln, kalte Hand. Erzählt mir, es gäbe keinerlei Grund, den Ausschuss zur Sprache zu bringen, der sei nämlich unbedeutend gewesen. Und noch dazu vorläufig und von kurzer Dauer. Schließlich sei er wegen ›verfassungsrechtlicher Bedenken‹ aufgelöst worden.«
    Er zog einen Ordner aus der Aktentasche.
    »Glücklicherweise wusste er nicht, wie viel ich wusste. Also habe ich geblufft und gesagt, mir wäre aber anderes zu Ohren gekommen. Er solle doch einfach alles erzählen, was er wisse, und das hat er gemacht.«

    Er schüttelte die Milchtüte. »Hast du noch Milch?«
    Ich holte ihm welche, und er nahm einen tiefen Schluck.
    »Du hast recht gehabt, es ging um sexuelle Belästigung. Aber zwischen Studentinnen und Studenten. Professor Devanes Idee. Sie hatte von drei Fällen gehört, alles junge Frauen, die ihr Seminar über Geschlechterrollen besucht und sich bei ihr beschwert hatten. Devane leitete keine offiziellen Schritte ein, sondern improvisierte munter drauflos. Sie ließ Kläger und Beklagte vorladen und veranstaltete ein kleines Tribunal.«
    »Und die Studenten wussten nicht, dass das Ganze inoffiziell war?«
    »Nein, sagt der Dekan. Sehr ehrbar, was?«
    »Donnerwetter«, sagte ich. »Von wegen verfassungsrechtliche Bedenken - ich wette, es waren eher finanzielle Bedenken wegen drohender Gerichtskosten.«
    »Das wollte er zwar nicht zugeben, aber den Eindruck hatte ich auch. Dann meinte er, der Ausschuss hätte bestimmt nichts mit dem Mord zu tun, aber als ich wissen wollte, wieso, konnte er mir keine Antwort geben. Nach langem Hin und Her und gegen das Versprechen, wir würden so diskret wie möglich ermitteln, hat er mir schließlich sämtliche Unterlagen mitgegeben.« Er schwenkte den Ordner. »Hope hatte die Sitzungen auf Band aufnehmen und abtippen lassen.«
    »Wieso das?«
    »Wer weiß? Vielleicht wollte sie ein Buch darüber schreiben. Der Dekan hat gesagt, anfänglich war sie fuchsteufelswild, als der Ausschuss geschasst wurde. Akademische Freiheit und so weiter. Dann erschien ›Wölfe und Schafe‹, und sie verlor das Interesse an der Sache.«
    »Ist schon erstaunlich, dass nach dem Mord nichts davon an die Öffentlichkeit gelangt ist.«
    »Wahrscheinlich weil alle ein begründetes Interesse daran
hatten, die Sache unter den Tisch fallen zu lassen. Uni-Verwaltung, Studenten -
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