Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen
Autoren: Luanne Rice
Vom Netzwerk:
denselben Arzt, Mrs. Renwick«, sagte Sam leutselig.
    »Nennen Sie mich doch Augusta. Und Sie auch, Joe.«
    »Danke, Augusta«, erwiderte Joe.
    Caroline und Joe hatten vor ihrer Abreise noch tausend Dinge zu erledigen. Sie stellten sich an die Rezeption und überprüften ihre Liste. Augusta und Sam blieben alleine zurück, unsicher, worüber sie sich unterhalten sollten. Augusta vergewisserte sich mit einem Griff an den Kopf, dass ihr Turban richtig saß.
    »Ihr Kopfschmuck sieht Klasse aus«, sagte Sam lächelnd. Seine Haut war bleich, und er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Er hatte mindestens fünf Kilo abgenommen und war nur noch Haut und Knochen. Um den Kopf trug er einen großen weißen Verband, genau wie Augusta eine Woche zuvor.
    »Danke. Ihrer auch.«
    »Geht es Ihnen besser?«
    »Ich fühle mich noch ein bisschen klapprig. Und Sie?«
    »Wenn ich ehrlich bin, ziemlich besch … Entschuldigung.«
    »Denken Sie sich nichts dabei.« Augusta musterte ihn verstohlen. Sie suchte nach Ähnlichkeiten mit seinem Bruder, konnte aber keine entdecken. Joe war muskulös und umwerfend männlich, Sam schmächtig und tollpatschig wie ein Schuljunge mit seinem schmalen Gesicht und dem Wust verstrubbelter Haare, die unter dem Verband hervorlugten.
    »Ich habe dauernd Kopfschmerzen.« Er beugte sich zu ihr hinüber. »Sie geben mir Medikamente gegen Krampfanfälle, und die machen mich ganz schläfrig.«
    »Mich auch. Schrecklich. Manchmal kommt es mir vor, als wäre ich in Watte gepackt, und Martinis sind auch verboten. Was ist mit Ihnen, hatten Sie mehrere Anfälle?«
    »Einen.« Sam starrte auf seine Knie.
    Augusta strich ihm sanft über den Handrücken. Armer Junge. Er war noch so jung. »Ist das nicht grauenvoll?«
    »Ja. Ich hoffe nur, dass es dabei bleibt. Mein Arzt meinte, das komme bei Kopfverletzungen hin und wieder vor. Und wie viele waren es bei Ihnen?«
    »Zwei. Ein richtiger Albtraum, wie Achterbahnfahrten. Man hat das Gefühl, dass sie nie mehr aufhören.«
    »Ekelhaft! Mein Bruder würde ausrasten, wenn er das wüsste. Er bildet sich ein, er sei schuld an dem Unfall.«
    »Ihr Bruder«, sagte Augusta, verschränkte die Arme und biss sich auf die Lippe, während sie Joe und Caroline beobachtete, die leise miteinander lachten.
    »Mögen Sie ihn nicht?«
    »Es gibt da bestimmte Geschehnisse in der Vergangenheit. Und nun will er auch noch Caroline nach Griechenland mitnehmen.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, er wird gut auf sie aufpassen.«
    »Das mag ja sein, aber Sie kennen nur einen Teil der Geschichte. Angefangen hat es mit seinem Vater, der am Tag vor Heiligabend gewaltsam in unser Haus eindrang und uns alle umbringen wollte. Ich hoffe, dass ich Sie nicht erschrecke …«
    »Ich weiß Bescheid«, sagte Sam gleichmütig. »Aber das Beste haben Sie nicht erwähnt.«
    »Und das wäre?« Augusta bemerkte eine Veränderung an sich, die ihr unverständlich war. Sie schloss sogar die Möglichkeit ein, dass dieser junge Kerl Licht in die rätselhafte Tragödie bringen könnte, die ihre Familie heimgesucht hatte.
    »Ihre Tochter liebt ihn.«
    Augusta drehte sich abrupt zu ihm um und starrte ihn an.
    Sam zuckte mit den Schultern. »Ich fände es auch besser, wenn er nicht nach Griechenland ginge. Aber glauben Sie im Ernst, Sie könnten die beiden aufhalten? Deshalb ist es besser, gar nicht erst zu versuchen, ihnen Steine in den Weg zu legen. Spielen Sie lieber Ball.«
    »Ich habe noch nie Ball gespielt.«
    »Dann wird es aber höchste Zeit, Augusta. Darum geht es nämlich im Leben«, sagte Sam.
     
    »Ich glaube, ich habe Augusta dazu gebracht, dir ihren Segen zu geben, Caroline nach Griechenland mitzunehmen«, sagte Sam. Es war sein erster Spaziergang und sein erster Tag nach Verlassen der Klinik. Die Septembersonne war warm, und er schlenderte mit Joe den schmalen Weg entlang, der zum Meer hinabführte.
    »Du scheinst ein einflussreicher Mann zu sein.«
    »Sie ist ziemlich dickköpfig, aber wer könnte es ihr verdenken? Ich meine, dass sie ihre Tochter nicht mit einem ausgemachten Schurken wie dir ziehen lassen will.«
    »Gut gebrüllt, Löwe.« Joe kickte mit dem Fuß einen Kieselstein über den Weg. »Und was ist mit dir? Habe ich deinen Segen?«
    Sam ging langsam neben ihm her, bis sie den Stein eingeholt hatten. Er versuchte ihn weiter zu kicken, traf daneben und schabte mit seinem Schuh über den Asphalt. Sein Sehvermögen war immer noch beeinträchtigt. Er kniff ein Auge zu, trat noch mal nach dem Stein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher