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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen
Autoren: Luanne Rice
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eine zusätzliche Decke oder ein Glas Eiswasser, aber Augusta forderte sie mit einem Klopfen auf, sich neben sie auf die Tagesdecke zu setzen. Sie ergriff eine Schildpatt-Haarbürste und begann Cleas Haare zu bürsten.
    »Erzähl mir was.« Augusta bürstete langsam und sehr leichmäßig.
    »Was denn?« Clea verspürte eine Gänsehaut im Nacken angesichts des ungewohnten Liebesdienstes, den ihre Mutter ihr angedeihen ließ.
    »Das ist egal. Eine Geschichte. Was du willst.«
    »Maripat und Mark möchten in unsere neue Fußball-Nachwuchsmannschaft eintreten – beide!«
    »Ich meinte über dich, Clea. Ich liebe Kinder, aber ich möchte etwas über dich hören.«
    »Ach Mom.« Clea hatte keine Ahnung, wo sie anfangen sollte.
    »Etwas über Clea. Erzähl mir von ihr.«
    »Aber warum?«
    »Es tut mir Leid, dass es überhaupt ein ›Warum‹ gibt. Das du es nicht völlig natürlich findest, dass ich mir Sorgen um dich mache.«
    »Du musstest dir schon genug Sorgen um Dad machen.«
    »Ja, das musste ich.« Augusta bürstete unermüdlich Cleas Haare. »Dass er mich langweilig finden könnte, dass er sich eingeengt fühlen könnte, dass er mich einer anderen wegen verlassen könnte. Und ihr Mädchen habt es ausbaden müssen.«
    »Trotzdem ist etwas aus mir geworden, Mom. Und Caroline geht es auch prima.« Caroline hatte ihr Vorhaben angekündigt, nach Griechenland zu reisen. Obwohl niemand wirklich überrascht war, hatte der Gedanke an ihre bevorstehende Abreise – sie würde ein ganzes Jahr fort sein – etwas Erschreckendes.
    »Aber Skye nicht.«
    »Nein.« Skye war nach Firefly Hill zurückgekehrt, um alleine zu sein. Clea hatte sie einmal mit einer Extraportion Rindfleischeintopf besucht, und sie um vier Uhr nachmittags im Bett angetroffen, wo sie mit hoffnungslosem Blick aus dem Fenster starrte. Clea schloss die Augen und genoss die Bürstenmassage. Sie versuchte sich vorzustellen, wie sie reagieren würde, wenn Maripat ähnliche Probleme hätte wie Skye, und wusste, dass es ihrer Mutter das Herz brach.
    »Was kann ich nur tun, Liebes?«, sagte Augusta. »Ich weiß, meine Hilfe kommt zu spät, aber ich ertrage es nicht, sie leiden zu sehen.«
    »Ich weiß es nicht, Mom.« Clea ergriff die Hand ihrer Mutter, die sich zart und zerbrechlich anfühlte. Als sie sich umdrehte, wurde ihr zum ersten Mal bewusst, wie alt ihre Mutter aussah. Augusta hörte auf, Cleas Haare zu bürsten, und legte ihre Hand in den Schoß.
    »Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll, vor allem, wenn Caroline in Griechenland ist.«
    »Sie kommt ja zurück.«
    »Ich habe ihr viel zu lange alles aufgebürdet. Sie hat sich immer um Skye gekümmert, während ich … so viel Zeit vergeudet habe.«
    Sie blickten sich an, die beiden Mütter in der Familie. Sie verstanden einander auch ohne Worte, wussten, was es bedeutete, Töchter großzuziehen, kannten die Sorge, wenn es galt, sie in eine Welt voller Gefahren zu entlassen, und Clea hätte ihrer Mutter gerne etwas von ihrer eigenen inneren Stärke abgegeben. Auf diese Stärke konnte sie bauen, und sie stellte sich gerne vor, sie verdanke sie ihrer Mutter.
    »Was ist nur mit uns geschehen?«, sagte Augusta gedankenverloren, wie ein Mensch, der soeben aus einem bösen Traum erwacht. »Die Frage habe ich Caroline bereits gestellt. Was ist mit unseren vielfältigen Talenten und der Liebe geschehen, die wir füreinander empfunden haben? Das würde ich gerne wissen. Welcher Stein fehlt in dem Puzzle?«
    »Das Leben, Mom«, antwortete Clea, die Hand ihrer Mutter haltend. Sie dachte ständig über die Tücken des Lebens nach. Was wäre, wenn Peter sterben oder jemand ihre Kinder verletzen würde oder wenn sie durch das dünne Eis auf dem Weiher einbrechen würden? Schreckliche Dinge geschahen, und das meistens dann, wenn man am wenigsten damit rechnete. Aber es geschahen auch wundervolle Dinge, und es gab nicht nur Leid, sondern auch Freude. »Der fehlende Stein ist das Leben selbst«, sagte sie noch einmal.
    »Das Leben«, wiederholte Augusta mit schräg gelegtem Kopf.
     
    Skye war alleine auf Firefly Hill. Sie hatte sich überreden lassen, mit Caroline und Joe zu Abend zu essen. Am liebsten hätte sie die Vorhänge zugezogen, das Telefon ausgeschaltet und es hinter sich gebracht – sich umzubringen. Sie hatte das Leben so satt. Nichts konnte den Schmerz in ihrem Innern zum Verstummen bringen.
    Das Haus war ein Mausoleum. Überall Erinnerungen. Homers Haare befanden sich auf sämtlichen Sitzmöbeln, aber
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