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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen
Autoren: Luanne Rice
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und traf.
    »Ist ja nicht für immer. Meine Tauchgenehmigung ist auf dreißig Tage beschränkt.«
    »Dreißig Tage in der Ägäis, und danach geht es wohin?«
    »Lamu«, antwortete Joe. Sie bogen um die Kurve und kamen zu einer Lichtung zwischen den Bäumen. Von hier aus sah man die Meerenge, glitzernd im Sonnenlicht und tiefblau.
    »Wo liegt Lamu?« Sam versetzte dem Stein einen erbosten Tritt.
    »Im Indischen Ozean. Das weißt du doch ganz genau.«
    »Begleitet Caroline dich?«
    »Ja.«
    Sam atmete tief die Seeluft ein und spürte, wie der Schmerz seinen Nacken hinabschoss. Er würde am selben Tag, an dem Joe und Caroline nach Athen abreisten, nach Halifax fliegen. Sein Arzt hatte versichert, die Sehstörungen würden allmählich vergehen, die Schmerzen nachlassen, und mit weiteren Krampfanfällen sei nicht zu rechnen. Doch war es lange her, seit er das einzige Mädchen verloren hatte, dass ihm etwas bedeutete, und er freute sich nicht darauf, nun auch noch Joe zu verlieren.
    »Du hast meinen Segen«, rang er sich schließlich ab.
    »Danke.« Joe hob den Kieselstein vom Boden auf, nach dem sie gekickt hatten, und gab ihn Sam. Sam blickte ihn, dann Joe an.
    »Was soll das?«
    »Es gibt Dinge, die wichtig sind, als Erinnerungshilfe. Wie der Schatz der
Cambria.
Und die alte Uhr meines Vaters, von der ich immer noch nicht weiß, wo sie hingekommen ist.«
    »Und woran soll mich der Stein erinnern?«
    »An Black Hall.«
    »Was ist damit?«
    »Das ist der Ort, auf den man sich freuen kann.«
    »Wir sind doch bereits hier. Worauf sollen wir uns da noch freuen?«
    »Auf unsere Arbeit.«
    »Ich habe meine Arbeit auf einem Forschungsschiff vor Nova Scotia.«
    »Ich werde von Griechenland aus nach Yale schreiben, und du schickst deine Bewerbung von Kanada aus, und nächstes Jahr treffen wir uns hier.«
    Sam hielt inne und starrte Joe an. Sein Mund stand vor Staunen offen, und Joe streckte die Hand aus und klappte ihn zu.
    »Bist du taub oder was?« Joe versetzte Sam einen freundschaftlichen Stoß unters Kinn.
    »Ich hab dich schon gehört! Aber du redest Schrott!« Sam stand immer noch wie angewurzelt da. Am liebsten wäre er wie ein wild gewordener Stier auf seinen Bruder losgegangen, um sich mit ihm zu prügeln und im Dreck zu wälzen. Als Kind hatte sich Joe manchmal unbarmherzig über ihn lustig gemacht, und Sam dachte, das sei auch nun der Fall.
    »Glaub doch, was du willst.«
    »Du nimmst alles auf die leichte Schulter«, sagte Sam rau.
    »Bloß keine Familienbande. Aber seit Moms Tod bist du der Einzige, den ich noch habe. Also lass deine Spielchen …« Sam hielt inne, als er sah, wie Joes Lächeln breiter wurde. Und es dämmerte ihm, dass er sich vielleicht doch keinen Scherz erlaubte.
    »Das sind keine Spielchen.«
    »Ehrenwort?«
    »Ehrenwort.«
    »Yale? Meinst du wirklich, ich sollte mich bewerben?«
    »Wenn du mit mir zusammen unterrichten willst, unbedingt.«
    »Glaubst du, dass sie mich nehmen?«
    »Kann ich mir nicht vorstellen.«
    Sam lachte und blinzelte. Seine Augen waren feucht – von der grellen Sonne.
    »Wer würde schon einen Biologen nehmen, der einen Mako nicht einmal dann erkennt, wenn er direkt vor seiner Nase herumschwimmt!«
    »Schwarzspitzenhai!«, widersprach Sam.
    »Mako!«, sagte Joe.
     
    Caroline und Clea fuhren zu Skye, und gemeinsam machten sie einen Spaziergang am Firefly Beach. Homer suchte die Flutlinie nach toten Krebsen und alten Hummerpanzern ab. Die Schwestern wussten, dass es Abschied zu nehmen galt. Es war noch nicht Zeit für ein letztes Lebewohl, aber die Stimmung lag bereits in der Luft. Sie gingen gemächlich am Strand entlang, spürend, wie der laue Sommerwind einer kühlen Herbstbrise Platz gemacht hatte, und waren von ganzem Herzen dankbar, dass sich Skye allem Anschein nach auf dem Weg der Besserung befand. Insgeheim versuchten sie sich nicht allzu große Sorgen zu machen, dass Skye einen Rückfall erleiden könnte, ohne Caroline, die sie aufzufangen vermochte.
    Durch die regelmäßige Teilnahme an den Zusammenkünften der AA hatte sich Skyes starkes Verlangen nach Alkohol verringert. Aber das erste Treffen war ihr schmerzhaft in Erinnerung geblieben.
    Zitternd infolge des zweiten Entzugs in diesem Sommer war Skye zusammen mit Joe hingegangen. Der Raum war klein und schäbig, in einem entlegenen Winkel des Gemeindezentrums einer Kirche in Eastbrook, das auch als Obdachlosenasyl diente. An den Wänden hingen fromme Sprüche, über die Simon und sie sich früher lustig
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