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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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muss warten, bis er ganz nah ist …
    Jetzt waren die beiden Männer unten an der Treppe angelangt und vorübergehend für Nelson unsichtbar. Abermals hielten sie inne, um für die Kameras Volksnähe zu simulieren; manche Stimme würde ihnen das noch einbringen. Keiner von den Hungerleidern hier würde je zum Wählen gehen, doch die wohlmeinenden Seelen an den Fernsehern zu Hause, das wussten sie aus Erfahrung, ließen sich von diesem Theater beeindrucken.
    Einer der Kameraleute erklomm die Bühne, gefolgt von einem Mikroträger. Der Chef der Wahlhelfer bedeutete ihnen, etwas nach hinten zu treten, damit Nelson ins Bild kam. Mit den Strategien der Kommunikation wohlvertraut, begriff Oswald, der Kameramann, worum es ging, und platzierte sich entsprechend. Er hatte die Sonne im Rücken, die Position war ideal.
    Nelson sah von alldem nichts. In der unaufhörlichen Wiederholung einer Bewegung in Gedanken erstarrt, blickte er auf das Stückchen Himmel, vor dem der Mann erscheinen würde, den er erschießen wollte.
    Die Polizisten bezogen um die Bühne herum Aufstellung, und während die Leibwachen den Zugang zur Treppe blockierten, begannen die beiden Gouverneure den Aufstieg. Barbosa junior erschien als Erster. Ein Blick zum Kameramann, schon hatte er begriffen, was man von ihm erwartete, und er ging überraschend natürlich auf Nelson zu.
    Oswald richtete sofort die Kamera auf die kleine Szene, ging in die Knie, um den ersten Kontakt nicht zu verpassen. Der Krüppel wirkte fast panisch, er brauchte ein paar Sekunden, bis er Barbosa die Linke reichte. Einen gelähmten Arm hatte er auch noch! Das war sehr gut, sehr gut war das … Barbosa murmelte ihm etwas Aufmunterndes zu und ging Richtung Mikro. Okay, da übernahm die zweite Kamera. Zoom auf den Gouverneur des Maranhão; entspannten Gesichts, mit triumphal gereckten Schnurrbartenden trat José Moreira da Rocha seinerseits auf den jungen Behinderten zu. Doch da verschwand sein Lächeln jäh, und er riss seltsam den Mund auf. Instinktiv regelte Oswaldo die Brennweite und hatte den Jungen im Bild, den Revolver am Ende des ausgestreckten Arms haltend, dann kam eine zweite Hand hinzu, um die Waffe zu stabilisieren. Ungläubig hob Oswaldo den Blick vom Objektiv, dann warf er sich flach auf den Boden.
    Die Schüsse, rasch aufeinander folgend wie Glockenschläge um sechs Uhr, ließen Onkel Zé in seinem Lauf jäh innehalten. In den folgenden Sekunden nahm er das Geschrei der Menge wahr, die panisch ihm entgegenwallende Flut. Zwei kurze Garben aus einer Maschinenpistole ließen ihn weitergehen, zur Tribüne. Er hat es getan …, dachte er im Gehen, mit entsetztem Gesicht.
    Dann wurde die Musik wieder angestellt, und aus den Lautsprechern ertönte ein Samba, der gerade in war:
    Bri-gi-te Bardot
    Bar-dooo!
    Bri-gi-te Beijo
    Bei-jooo!
    Weiß vor Zorn waren Onkel Zés Lippen, ihn erfüllte ungläubige Wut, die immer noch wuchs. Kaum zu fassen, die Ausmaße an Absurdität, zu denen die verbrecherische Dummheit der Menschen führt.

Worterklärungen
    Feijoada  – Eintopfgericht aus Bohnen, Fleisch und anderen Zutaten; gilt als brasilianische Nationalspeise
    Willys – Limousine ; seit 1952 von Willys-Overland in Toledo (Ohio/ USA ) gebaut
    Matuto : Im bras. Port. ein Provinztölpel, bäurischer Kerl
    Tudo bem? Tudo bom. – Begrüßungsfloskel, in etwa »Geht’s gut? Gut geht’s.«
    Speisekarte :
 Fischfilet, Panierte Garnelen,
 Fischtopf, Quiches, Salate.
 Preis/Person: der bestmögliche …
  BITTE RESERVIEREN
    Saúde : Gesundheit (hier: Prosit)
    Pernilongos : (wörtl. »Langbein«) eine Bezeichnung für Moskitos
    Mensageiro da Fé  – (Name des Schiffes) Der Glaubensbote
    Acarajé  – In Öl ausgebackene, brötchenartige Kroketten aus gemahlenen Bohnen, Krabben und Gewürzen; afrikanischen Ursprungs
    Pau de arara  – Papageienschaukel (Foltergerät)
    Caralho  – Ausruf, ähnlich span. caramba: überrascht, verblüfft, verärgert, aber auch bekräftigend
    La merda attira la merda  – Scheiße zieht Scheiße an (it.)
    Beleza  – Schönheit, meine Schöne (port.)
    Varones  – hier: Kerle. Eigentlich nicht wertende Bezeichnung für Angehörige des männlichen Geschlechts (span.)
    Vixe Maria  – Ausruf der Überraschung oder Freude, des Schreckens
      Maconha  – Marihuana (port.)
    Jangada  – typ. Segelboot der brasilianischen Fischer mit kastenförmigem, geschlossenem Rumpf und Dreieckssegel
    Francês  – Franzose (port.)
    lintea pollueram
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