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Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Titel: Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)
Autoren: Cathryn Constable
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hielt den Brief in ihrer Hand.
    Und jetzt? Was in aller Welt sollte sie jetzt tun?
    Mascha hatte sich zur Feier des Tages ein leuchtend rotes Kopftuch umgebunden und war mit ihrer Mutter und Großmutter aus dem Unterpalast heraufgekommen, um Sophie Lebwohl zu sagen. Sophie küsste Maschas Mutter. Die babuschka streichelte Sophies Wange.
    »Ich glaube, ich muss deine babuschka  … und dich um Verzeihung bitten … Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht, als ich Anna Fjodorovna die Diamanten gegeben habe.«
    Mascha schüttelte den Kopf. »Diamanten haben ihr kein Glück gebracht«, wisperte sie. »Wir gleich gewusst, dass sie ihr nichts nützen.«
    »Ich glaube, sie wusste gar nicht, was Glück ist«, murmelte Sophie. »Sie dachte, wenn sie reich wäre, wäre sie auch glücklich.«
    Mascha schüttelte erneut den Kopf. »Diamanten muss man in Seele haben, um glücklich zu sein.«
    »Jetzt hat sie der General«, sagte Sophie. »Vielleicht bringen sie ihm mehr Glück.«
    »Nein, nicht Volkonski-Diamanten – die sind nicht so«, widersprach Mascha.
    »Wie meinst du das?«, fragte Sophie.
    »Diamanten müssen mit Liebe gegeben werden. Können nicht gekauft oder verkauft werden.« Mascha nahm Sophies Hände und drückte sie. »So ist Volkonski-Art.«
    »Aber jetzt gehören sie ihm«, rief Sophie voll Zorn auf sich selbst. »Und ich hatte sie … und habe sie verloren.«
    »Besser verloren«, wisperte Mascha, »als hartes Herz, wenn man sie hat.«
    »Was macht ihr denn jetzt, Mascha?«, fragte Sophie traurig. »Du und Dimitri und deine Mutter und Babuschka?«
    Mascha blickte auf, versuchte zu lächeln, aber ihre Augen wurden feucht. Schniefend wischte sie sich ihre Nase am Ärmel ab.
    »Wir aufpassen«, sagte sie. »Und warten. Auf Wolfsprinzessin.«
    Sophie lief die Treppe hinunter zu den anderen, die schon unter ihrer Bärenfelldecke im vozok saßen. Dimitri wich ihrem Blick aus, als könne er es nicht ertragen, dass sie fortging. Sophie kämpfte gegen ihre Tränen an. Sie durfte jetzt nicht weinen. Sie wollte weder Dimitri noch sich selbst in Verlegenheit bringen.
    Die Schlittenglöckchen bimmelten, als Viflijanka schnaubend antrat und durch den Schnee stampfte. Bald umrundeten sie den Birkenwald und Sophie konnte kaum hinsehen, so schwer wurde ihr das Herz. Ob sie je wieder zurückkommen würde? Und wann? Ihr Leben lang hatte sie von einem Zuhause geträumt, und jetzt, wo sie diesen Ort gefunden hatte, musste sie wieder fort. Sophie hätte gern den Wölfen Lebwohl gesagt, tröstete sich aber mit dem Gedanken, dass sie frei im Wald herumstreiften, wie sie es nach ihrem monatelangen Eingesperrtsein verdient hatten. Kein Wolfsgarten wäre je groß genug für sie und kein Futter, das Dimitri ihnen vorsetzte, so verlockend wie die Beute, die sie selber schlugen.
    Dimitri starrte finster vor sich hin und Sophie spürte, dass sie ihn zum zweiten Mal enttäuschte. Das erste Mal hatte sie ihn verraten, indem sie Anna Fjodorovna die Volkonski-Diamanten gegeben hatte, und jetzt ließ sie ihn mit seiner Familie allein im Winterpalast zurück.
    Marianne und Delphine, die spürten, wie schwer Sophie der Abschied fiel, warteten schweigend unter ihrem Bärenfell.
    Dann war es so weit: Der weiße Zug stand bereit und aus dem Schornstein stieg Rauch auf. Ivan half den Mädchen vom Vozok herunter und öffnete die Wagentür. Mit einem Blick auf seine Uhr drehte er sich zu Sophie um und hielt ihr seine Hand hin. »Prinzessin«, murmelte er. »Es ist Zeit.«
    »Warten Sie noch einen Moment«, flüsterte Sophie und fuhr mit den Fingern die Umrisse des Wolfskopfs auf der Wagentür nach. Das aufgerissene Maul, die scharfen Fänge erschreckten sie jetzt nicht mehr, sondern gaben ihr ein gutes Gefühl. Beruhigend irgendwie. Der Wolfskopf verriet ihr etwas über sich selbst, über das Mädchen, das nie gewusst hatte, wer sie war oder woher sie kam: Eine Volkonskaja kämpfte wie ein Wolf, um ihr Liebstes zu beschützen.
    Zögernd stand Sophie auf dem winzigen Bahnsteig. Der Schnee fiel jetzt dichter. Sie schaute auf den Wald, auf die Bäume, von denen sie so oft geträumt hatte. Und zwischen diesen Bäumen tauchte jetzt das Wolfsrudel auf und schnürte in Formation auf sie zu. Nahtlos verschmolzen sie mit dem Wald, waren so völlig eins mit ihrer Umgebung, dass sie nirgendwo sonst hätten existieren können. Zumindest erschien es Sophie so. Viflijanka wieherte, aber Dimitri beruhigte ihn. Die Wölfe verharrten.
    Vladimir und Sofja hatten
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